Text - "Die Sandwich-Inseln" R. Anrep-Elmpt

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Das kleine Hilo, die Hauptstadt der Insel Hawaii, der Sitz des Gouverneurs und seiner Regierungsorgane, ist ein liebliches, ziemlich umfangreiches Dorf, dessen kleine, saubere, meist weit auseinander gelegene, mit wenigen Ausnahmen von Gärten umgebene Häuser einen freundlichen, geselligen und ländlichen Anblick bieten.

Unter den Häusern findet man einige recht stattliche, die auf blühenden Wohlstand und Geschmack deuten.

Hauptsächlich jedoch fällt die auffallend strotzende Ueppigkeit der Vegetation auf, die das hügelige, fast bergige Terrain der Stadt und die einem Hufeisen ähnlich geformte Bai umgiebt.

Ein recht schöner, ernster Bau ist der römisch-katholischen Kathedrale, die während dem gewaltigen Ausbruch des Mauna-Loa 1869 stark mitgenommen wurde und an der noch Spuren der Verwüstung deutlich zu bemerken sind. Dieselbe ist überraschend gut restaurirt, was besonders auffallend ist, da sie, wie man mir sagt, nahe dem Zusammensturze gewesen war und nur durch die zahlreiche sehr wohlhabende Gemeinde durch eine sofortige und gründliche Reparatur erhalten worden ist.

Wie ich mich überzeugt habe, war zur Zeit meines Dortseins die Zahl der römisch-katholischen Gemeinden im Inselreiche gleich der der Protestantischen.

Den darauf folgenden Tag wanderte ich zur 3 Meilen entfernten "Regenbogen-Cascade". Der Weg führt über und durch wild durcheinander geworfenes Lava geröll, über tiefe Spalten oder glatte und feste Lavastrecken. Die Stelle der Cascade selbst ist ein längst erloschener Krater. Die eine Seite desselben bildet ein 600 Fuss tiefes Becken; von der andern Seite stürzt fast senkrecht ein Bach, ohne jeglichen Widerstand zu finden, daher glatt und ununterbrochen gleich einem Silberbande vibrirend und glänzend in eine von langjährigem Sturze gebildete Vertiefung oder möglicherweise in eine durch den Sturz durchbrochene Grotte, die laut Sage zur Heidenzeit von einem Unhold bewohnt war, welcher jegliches lebendes Wesen, welches sich der Grotte näherte, vernichtete.

Durch diese Grotte ergiesst sich unsichtbar das Wasser in das früher erwähnte Bassin, aus welchem es durch die zahlreichen vulkanischen, unterirdischen Gänge allmählich seinen Ausfluss findet.

Wenn nun die Sonnenstrahlen gegen die glitzernde Fläche des spiegelglatt niederstürzenden Wasserfalles sich brechen, entfaltet sich ein wundersames Regenbogenspiel, welches der sogenannten Cascade den wohlverdienten Namen gegeben hat.

Es ist in allen Beziehungen eine lohnende Mühe, den Ausflug zu machen, und zwar unbedingt besser zu Fuss als zu Pferde, da die Spalten und der höchst unebene Weg, den man, so gut es geht, erst suchen muss, dem Reiter viel ermüdender und beschwerlicher als dem Fussgänger wird.

Höchst lieblich ist bei der Rückkehr der Blick auf die Stadt, auf die Bai und die sie üppig umgebende Vegetation. Namentlich erhöht den Reiz desselben der ausserordentliche Contrast zu dem starren Gewühl der ausgedehnten wüsten Lavastrecken.

Den folgenden Tag, den 2. August, wanderte ich durch die saubere Stadt, deren meist einstöckige, hölzerne, mit Brettern verkleidete Häuser, die meist seit 1869 nach dem verwüstenden Ausbruche des Mauna-Loa neu erbaut oder renovirt und im zierlichsten Anstrich meist von pflanzenreichen Gärten umgeben sind, zerstreut liegend den Ort bilden. Ausserhalb desselben in regelrechte, parallellaufende Strassen eingetheilt, schmücken Villen mit zierlichen Gartenanlagen die Umgebung.

Wandernd erreichte ich die bemerkenswerthe Hochschule des Mr. Lymon, die 1836 gestiftet und zu ihrer Unterhaltung eine biennale Subvention von 900 Doll. vom Staate erhält.

Das praktisch eingerichtete Gebäude liegt ausserhalb der Stadt in einer luftigen, schattigen, gesunden Umgebung. Ich wohnte dem Unterrichte bei und muss gestehen, dass die Fähigkeiten, die Intelligenz der Jugend, und namentlich das sittsame, bescheidene, nette Benehmen derselben mein Erstaunen erregten und mir eine angenehme Rückerinnerung hinterliessen.

Besonders auffällig war mir das Betragen der Zöglinge im Vergleiche mit dem unserer Schuljugend der gegenwärtigen Zeit, wo das Selbstbewusstsein der Jugend zu einer undisziplinirten Unbändigkeit ausartet und ein Uebel ist, welches von Jahr zu Jahr progressiv zunimmt, da wir in einer Zeit leben, wo das allgemeine Streben nach Schrankenlosigkeit als herrschendes Element zu dem Resultate zu führen scheint, dass jede Achtung für Alter, Gesetz und Ordnung allmählich schwinden muss, wenn nicht ein Riegel der Ausartung dieses Uebels vorgeschoben wird.

Von Herzen wünsche ich, dass der hier herrschende gesunde Geist der Jugend einen steten Einfluss auf die kommende Generation ausübe, um die Bewahrung desselben der Zukunft des Landes zu sichern.

Das System des quasi freien Unterrichtes im Inselreiche ist ein reines Zwangssystem. Die Eltern sind verpflichtet, ihren Kindern das Lesen, Schreiben und Rechnen lehren zu lassen, dieselben zu ernähren, zu kleiden und zu erhalten. Jeder Distrikt hat mindestens eine gemeinschaftliche Schule für Knaben und Mädchen. Der Unterhalt derselben wird zur Hälfte von der Bevölkerung und dem Staate getragen. Die erforderlichen Lehrer und Lehrerinnen derselben werden von der lokalen Schulkommission erwählt. Diese Kommission besteht aus dem lokalen Friedensrichter, einem vom hohen Rathe in Honolulu ernannten, und einem zweiten von den Eltern der Schulkinder gewählten Inwohner des betreffenden Distriktes und wird präsidiert vom Oberintendanten der öffentlichen Aufklärung oder seines Stellvertreters.

Die Pflichten dieser Commission bestehen in der Ueberwachung und Leitung der Schulen, der Zöglinge und der schulpflichtigen Kinder des Distriktes. Alle Bestimmungen der Commission müssen dem hohen Rathe in Honolulu zur Bestätigung vorgelegt werden.