Da liegen die Häuschen erst verstreut, dann tun sie sich zusammen und bilden eine Gasse, von der hie und da ein Gäßchen abzweigt, eines davon führt über Stufen zur Kirche hinan, die über dem Dorfe inmitten des kleinen Friedhofes steht. Ein Schreiner hat dort seine Werkstatt, die Fenster nach den Hügeln und Kreuzen heraus, und man hört das langgezogene Schleifen des Hobels. Die Uhr auf dem Turme schlägt jede Viertelstunde, zu bestimmten Tageszeiten wird auch die Glocke gezogen und da nehmen die Leute die Kappen ab und falten die Hände, mögen sie weit draußen auf dem Felde oder heim im Stalle oder Garten sein. Jede Stunde mißt ihnen die Uhr unter dem funkelnden Kreuze zu, jede Stunde als Geschenk des Himmels.
Wer zum ersten Mal so ein Dorf und seinen kleinen Friedhof betritt und den Stundenschlag gleichmäßig verhallen hört über der kleinen, enggeschlossenen Gemeinde der Verstorbenen und der Lebenden, der könnte wohl meinen, die letzteren überkäme, wie ein Segen aus der Höhe des Turmes, das Gefühl, das ihn beschleicht, der all ihrer Müh' und Sorge ferne steht; ein Gefühl, allumgeben zu sein von der Zeit und dem Waltenden in ihr, eine Unmittelbarkeit des Ewigen. Die liebe, lichte Erde scheint herausgetrennt aus dem wirren Ganzen; in der Luft, die auf ihr lastet, atmet Andacht und jeder Atemzug erfüllt die Brust mit der Sicherheit, in und mit allem gezählt und behütet zu sein!
Es ist ein Augenblick vergessender, unmittelbarer Gegenwart, der den Wanderer erfreut, flüchtig wie diese; die Zeit, sie hat auch hier nie stille gestanden, nur merkt er eben ihre Spuren nicht. Die Menschen zur Stelle aber mahnt der Stundenschlag und Glockenklang an etwas in und über der Zeit, doch sie hören es Tag für Tag, es wird gewöhnlich, sie murmeln ihre Gebete, leiden unter dem Vergangenen und fürchten für die Zukunft.
Denket die Natur als, ohne Rückerinnerung und Furcht, urewig schaffende Gegenwart, und es überkommt den Menschen ein Gefühl haltloser Vergänglichkeit. Laßt den Reisenden nach einiger Zeit wiederkehren. Damals war es so und wie ist es jetzt ganz anders, schon ein zweites Mal haftet die Erinnerung auf dem Flecke und Wehmut beschleicht sein Herz. Die Alten hatten recht, ihre Heroen mußten Lethe trinken, um ewig sein zu können.
Im heiteren Tageslichte, das erste Mal berührt, sieht jede Stätte heimisch aus. Wie reinlich so ein kleines Dörfchen in hellem Sonnenscheine liegt, an die Häuser drängt das Licht, fällt durch die Fensterscheiben und schlägt in breiter Masse durch jede sich öffnende Türe ein, und draußen spielt es um Grabsteine und Kreuze; anders ist es freilich, wenn der Himmel unfreundlich ist, wenn ein dichter Landregen in trauriger Einförmigkeit niederrieselt, trotz seiner Verdienstlichkeit um Feld und Frucht blicken die Menschen verdrießlich, weil sie in ihre dumpfen Stuben gebannt sind, die Häuser selbst erscheinen ganz unförmlich und schmutzig und von den Gräbern meint man den Brodem der Fäulnis aussteigen zu sehen. Aber es gibt auch lustige Regen, die in Hast befruchtend herniederstürzen, nach denen alsbald die Sonne wieder hervorbricht, und deren Naß man lachend abschüttelt.
Unter solch einem frischen Sprühregen schritt Florian auf die Ortschaft zu; es war Zirbendorf, und die ziehenden Wolken, die ihm den nassen Gruß herniederschickten, waren schon von der Abendsonne gerötet. Er nahm sich vor, erst die Wirtshäuser abzusuchen, denn hier wie daheim geht wohl der Fleißige seiner Arbeit und der Ausbund dem Trunke nach, und hinter einem vollen Glase dachte er auch seinen Mann zu finden. Das Gemeindegasthaus war das vornehmste, mit ihm beschloß er den Anfang zu machen, er fand aber niemand dort und es schien auch weiter niemand kommen zu wollen, so zahlte er sein Glas Wein und ging, um sich lieber in einer verdächtigen Schenke umzusehen.
Am andern Ende des Ortes fand er eine, welche so verkommen aussah, daß sie sein Vertrauen gewann. Er trat ein. Das Innere hielt vollkommen, was das Äußere versprach. Schmutz starrte an den Wänden und machte Tische und Bänke für jeden Anständigen unnahbar, ein altes Weib, das in versudelten Lumpen einherging, besorgte die Bedienung der Gäste und die Leute, die hier ein Behagen finden konnten, sie waren auch danach. Männer und Burschen in schmierigen Jacken lümmelten an den Tischen und sahen entweder blöde mit schlaffen Gesichtern vor sich hin, oder schrieen mit wildem Blick und krampfhaft verzerrten Mienen auf den Nachbar ein. Diesmal keifte aber auch die Wirtin darein, und man konnte aus ihren Worten entnehmen, daß sie die Überzeugung hege, ihre Gäste wären "Lotter, Erzdiebe und Mistfinken", die ein armes Weib betrügen wollten, indem sie mehr söffen als sie dann bei der Zeche eingestünden.
"Gemein mit solchen macht er sich doch nicht," dachte Florian und wollte schon umkehren, da bemerkte er durch den dichten Tabaksqualm einen Mann, der in einer Ecke allein an einem Tische saß und wohl der Gesuchte sein konnte. Er trat daher ohne weiteres hinzu und setzte sich ihm gegenüber.
Dieser Stammgast beachtete ihn offenbar gar nicht, als er aber bemerkte, daß Florian ihn mit mißgünstigen Blicken musterte, so wurde das bald gegenseitig. Diese Musterung bestärkte Florian darin, daß er den Leutenberger Urban vor sich habe. Der Mensch, ihm gegenüber, war überaus kräftig gebaut, und daß er stark war, das sah man ihm sogar an seinem Gesichte ab, wenn er eine Muskel verzog, so war es, als kröche ihm etwas unter der Haut dahin, und es stiegen rote Flecke auf, wie von einem Druck, er hatte die Hemdärmel zurückgestreift, seine bedenklich kräftigen Arme konnten auch der Bekleidung entbehren, denn sie waren mit einem dichten Felle bewachsen. Seine Stirne war nieder, wasserhelle graue Augen, eine gerade knollige Nase und wulstige Lippen standen in seinem breiten Gesichte, das einen brutalen Ausdruck hatte und sonst auch keinen andern.
Er räusperte sich und spuckte über den Tisch, knapp an seinem Gegenüber vorbei, mitten in die Stube.
Der Müllerssohn hatte sich Wein geben lassen, sein halbvolles Glas stand vor ihm, er wandte sich jetzt ab und stieß dasselbe wie achtlos um, daß der Inhalt über den Tisch rann.
Wer zum ersten Mal so ein Dorf und seinen kleinen Friedhof betritt und den Stundenschlag gleichmäßig verhallen hört über der kleinen, enggeschlossenen Gemeinde der Verstorbenen und der Lebenden, der könnte wohl meinen, die letzteren überkäme, wie ein Segen aus der Höhe des Turmes, das Gefühl, das ihn beschleicht, der all ihrer Müh' und Sorge ferne steht; ein Gefühl, allumgeben zu sein von der Zeit und dem Waltenden in ihr, eine Unmittelbarkeit des Ewigen. Die liebe, lichte Erde scheint herausgetrennt aus dem wirren Ganzen; in der Luft, die auf ihr lastet, atmet Andacht und jeder Atemzug erfüllt die Brust mit der Sicherheit, in und mit allem gezählt und behütet zu sein!
Es ist ein Augenblick vergessender, unmittelbarer Gegenwart, der den Wanderer erfreut, flüchtig wie diese; die Zeit, sie hat auch hier nie stille gestanden, nur merkt er eben ihre Spuren nicht. Die Menschen zur Stelle aber mahnt der Stundenschlag und Glockenklang an etwas in und über der Zeit, doch sie hören es Tag für Tag, es wird gewöhnlich, sie murmeln ihre Gebete, leiden unter dem Vergangenen und fürchten für die Zukunft.
Denket die Natur als, ohne Rückerinnerung und Furcht, urewig schaffende Gegenwart, und es überkommt den Menschen ein Gefühl haltloser Vergänglichkeit. Laßt den Reisenden nach einiger Zeit wiederkehren. Damals war es so und wie ist es jetzt ganz anders, schon ein zweites Mal haftet die Erinnerung auf dem Flecke und Wehmut beschleicht sein Herz. Die Alten hatten recht, ihre Heroen mußten Lethe trinken, um ewig sein zu können.
Im heiteren Tageslichte, das erste Mal berührt, sieht jede Stätte heimisch aus. Wie reinlich so ein kleines Dörfchen in hellem Sonnenscheine liegt, an die Häuser drängt das Licht, fällt durch die Fensterscheiben und schlägt in breiter Masse durch jede sich öffnende Türe ein, und draußen spielt es um Grabsteine und Kreuze; anders ist es freilich, wenn der Himmel unfreundlich ist, wenn ein dichter Landregen in trauriger Einförmigkeit niederrieselt, trotz seiner Verdienstlichkeit um Feld und Frucht blicken die Menschen verdrießlich, weil sie in ihre dumpfen Stuben gebannt sind, die Häuser selbst erscheinen ganz unförmlich und schmutzig und von den Gräbern meint man den Brodem der Fäulnis aussteigen zu sehen. Aber es gibt auch lustige Regen, die in Hast befruchtend herniederstürzen, nach denen alsbald die Sonne wieder hervorbricht, und deren Naß man lachend abschüttelt.
Unter solch einem frischen Sprühregen schritt Florian auf die Ortschaft zu; es war Zirbendorf, und die ziehenden Wolken, die ihm den nassen Gruß herniederschickten, waren schon von der Abendsonne gerötet. Er nahm sich vor, erst die Wirtshäuser abzusuchen, denn hier wie daheim geht wohl der Fleißige seiner Arbeit und der Ausbund dem Trunke nach, und hinter einem vollen Glase dachte er auch seinen Mann zu finden. Das Gemeindegasthaus war das vornehmste, mit ihm beschloß er den Anfang zu machen, er fand aber niemand dort und es schien auch weiter niemand kommen zu wollen, so zahlte er sein Glas Wein und ging, um sich lieber in einer verdächtigen Schenke umzusehen.
Am andern Ende des Ortes fand er eine, welche so verkommen aussah, daß sie sein Vertrauen gewann. Er trat ein. Das Innere hielt vollkommen, was das Äußere versprach. Schmutz starrte an den Wänden und machte Tische und Bänke für jeden Anständigen unnahbar, ein altes Weib, das in versudelten Lumpen einherging, besorgte die Bedienung der Gäste und die Leute, die hier ein Behagen finden konnten, sie waren auch danach. Männer und Burschen in schmierigen Jacken lümmelten an den Tischen und sahen entweder blöde mit schlaffen Gesichtern vor sich hin, oder schrieen mit wildem Blick und krampfhaft verzerrten Mienen auf den Nachbar ein. Diesmal keifte aber auch die Wirtin darein, und man konnte aus ihren Worten entnehmen, daß sie die Überzeugung hege, ihre Gäste wären "Lotter, Erzdiebe und Mistfinken", die ein armes Weib betrügen wollten, indem sie mehr söffen als sie dann bei der Zeche eingestünden.
"Gemein mit solchen macht er sich doch nicht," dachte Florian und wollte schon umkehren, da bemerkte er durch den dichten Tabaksqualm einen Mann, der in einer Ecke allein an einem Tische saß und wohl der Gesuchte sein konnte. Er trat daher ohne weiteres hinzu und setzte sich ihm gegenüber.
Dieser Stammgast beachtete ihn offenbar gar nicht, als er aber bemerkte, daß Florian ihn mit mißgünstigen Blicken musterte, so wurde das bald gegenseitig. Diese Musterung bestärkte Florian darin, daß er den Leutenberger Urban vor sich habe. Der Mensch, ihm gegenüber, war überaus kräftig gebaut, und daß er stark war, das sah man ihm sogar an seinem Gesichte ab, wenn er eine Muskel verzog, so war es, als kröche ihm etwas unter der Haut dahin, und es stiegen rote Flecke auf, wie von einem Druck, er hatte die Hemdärmel zurückgestreift, seine bedenklich kräftigen Arme konnten auch der Bekleidung entbehren, denn sie waren mit einem dichten Felle bewachsen. Seine Stirne war nieder, wasserhelle graue Augen, eine gerade knollige Nase und wulstige Lippen standen in seinem breiten Gesichte, das einen brutalen Ausdruck hatte und sonst auch keinen andern.
Er räusperte sich und spuckte über den Tisch, knapp an seinem Gegenüber vorbei, mitten in die Stube.
Der Müllerssohn hatte sich Wein geben lassen, sein halbvolles Glas stand vor ihm, er wandte sich jetzt ab und stieß dasselbe wie achtlos um, daß der Inhalt über den Tisch rann.