Der dunkle Hohlweg war bald durchschritten und eine steinige Höhe erreicht,
von der man auf die Kluse hinabsehen konnte. Hier wurde für einige Minuten
Halt gemacht, weil der Weg bis hierher sehr steil gewesen war. Bald aber
ging es wieder vorwärts, und immer noch gab der Mond Licht genug, um den
Weg erkennen zu können. Ueber eine Stunde lang waren die Wanderer in der
fröhlichsten Laune scherzend und lachend, beinahe fortwährend bergauf
gestiegen, als sie plötzlich die höchste Spitze der Wichtelkuppe erreicht
hatten, und wie von einem Thurme herab in das tiefe Werrathal hinunter
schauten. Der Mond hatte den Saum der Gebirge erreicht und warf seinen
letzten Blick auf den ruhigen Spiegel des Stromes, der sich wie eine
glänzende silberne Schlange durch das tiefe dunkele Thal hinwand. Bald
aber versank die helle Mondscheibe hinter dem Berge, die Nacht breitete ihr
Dunkel über die Erde, und die Sterne blitzten und funkelten lebendiger. Nur
im Osten zeigte der Himmel über den Gebirgssäumen einen bleichen Streif,
der den nahenden Tag verkündete. Von Minute zu Minute wuchs dieser
Lichtschein und seine bleichgelbe Farbe ging in ein zartes Rosenroth über.
Zugleich zitterte die Morgendämmerung über die Berge, und die einzelnen
Basaltkuppen und Waldstriche wurden im Thale sichtbar. Der Himmel färbte
sich immer feuriger, immer prächtiger, bis seine ganze östliche Hälfte mit
einem glühenden Roth bedeckt war.
Turner, dessen Gattin, und um sie herum die Kinder hatten sich auf
Felsstücke niedergesetzt, und hielten erwartungsvoll und von heiligen
Schauern durchbebt, die Blicke auf den Fleck über dem dunkeln Gebirgsrücken
geheftet, von wo aus die Gluth am Himmel aufzusteigen schien. Plötzlich
wurde dort ein glänzender heller Lichtpunkt sichtbar, die goldene Scheibe
der Sonne stieg empor, und ihr Strahlenlicht ergoß sich über die Erde.
"Erkennt die Größe des allmächtigen Gottes in diesem seinen Werke! sagte
Turner zu den Kindern, indem er die Hand nach dem aufsteigenden Gestirn
erhob. "Wie Alles in der ganzen Schöpfung Gottes Gnade bekundet, so sendet
auch dieses göttliche Werk Leben, Segen und Gedeihen über unsern Erdball.
Seht nur, wie die Natur erwacht und wie Alles neu belebt wird!
Kein Wölkchen war am Himmel zu erblicken, blau und durchsichtig spannte
er seinen hohen Bogen über die weite, im goldenen Morgenlicht glänzende
Berglandschaft, frisch und erquickend zog die Luft durch das Thal, und
rollte den leichten Nebel, der die Werra wie mit einem weißen Schleier
bedeckte, in kleinem Gewölk nach den Höhen hinauf, und Alles schien für den
ersten Pfingsttag geschmückt.
In die Herzen der Familie Turner war der Festtag schon mit dem Erwachen der
Natur eingezogen, und so wie die Vögel hoch in der Luft und unten im Thale
sich unter fröhlichem Gesange des Morgens erfreuten, so gaben auch
Turners sich der beglückenden Heiterkeit hin, die ihnen von allen Seiten
entgegenlachte. Noch über eine Stunde verweilten sie im Genusse des
herrlichen Morgens auf der luftigen Höhe, ehe sie an den Heimweg dachten.
Als aber Madame Turner daran erinnerte, daß man aufbrechen müsse, um zur
rechten Zeit in der Kirche erscheinen zu können, schlug ihr Gatte vor, auf
dem kürzeren Fußpfad, der an den Werra-Abhängen hinführte, zurückzugehen.
Alle stimmten freudig ein, weil dieser Weg beinahe fortwährend einen
Blick in das tiefe Thal gestattete, und so traten sie dann abermals ihre
Wanderung an. Der Pfad aber war schmal, so daß nur eine Person darauf
Platz hatte, und von Herrn Turner geführt, folgte Einer dem Andern. Oft
blieben sie stehen, um die steilen Felswände zu beiden Seiten des Flusses
zu bewundern, oder den kleinen Fischernachen nachzublicken, die wie
schwarze Punkte auf der Werra hinglitten. Wohl die Hälfte des Heimweges
hatten sie bereits zurückgelegt, als sie auf dem hohen Bergsaum einen
Platz erreichten, wo der Pfad an einer Felswand hinführte, und wo an dessen
anderer Seite der, mit losem Gestein bedeckte Boden sehr steil abschüssig
wurde, und in einer Entfernung von etwa hundert Fuß in einem senkrechten
schwindelnden Abhang nach dem Ufer des Stromes hinuntersank. Herr Turner
blieb stehen und rief den Kindern zu, voran zu gehen, damit er sie im Auge
behalten könne, und als sie bei ihm vorüber kamen, ermahnte er sie zur
Vorsicht auf diesem gefährlichen Wege. Carl Scharnhorst schritt voran,
indem er dem Hund pfiff, der soeben einen Hasen aufgejagt hatte und, ohne
auf den Pfiff zu hören, denselben verfolgte. Hinter Carl ging Julie, dann
kam Arnold, darauf Wilhelm, und Herr Turner, mit seiner Gattin vor sich,
beschloß den Zug. Die schmalste Stelle des Pfades war erreicht, als
plötzlich Pluto, um zu Carl zu gelangen, in vollem Lauf bei Herrn und
Madame Turner vorübersauste, und im Vorbeirennen an Arnold, diesen so
heftig zur Seite stieß, daß der Knabe von dem Pfade herabstürzte und an
dem steilen Berge hinunterrollte. Mit einem Schrei des Entsetzens sahen die
Eltern, wie der Knabe sich vergebens bemühte, seinem Hinabrollen Einhalt zu
thun; es war umsonst, das lose Gestein rollte mit ihm, und schon hatte er
die Hälfte des Abhanges, der zu dem senkrechten Abgrunde führte, erreicht,
als Carl sich pfeilschnell hinter ihm herstürzte, ihn mit seinen Armen
umklammerte, und alle seine Kräfte aufbot, ihn in dem furchtbaren Lauf
aufzuhalten. Umsonst - Beide rollten weiter dem unvermeidlichen Tode
entgegen. Carl hielt aber seinen Kameraden fest umschlossen, und lenkte nur
mit den Füßen seinen Weg einem einzelnen Baume zu, der am Ende des Abhanges
stand und über die gähnende Tiefe hinabhing. Wie vom Tode erfaßt und in
Verzweiflung erstarrt, sahen die Eltern händeringend den beiden Knaben
nach, wie dieselben dem äußersten Rande des Abgrundes immer näher kamen und
das lose Gestein um sie her ihnen voran in die bodenlose Tiefe rollte. Noch
lagen nur wenige Schritte zwischen den Knaben und dem äußersten Felsrand,
als Carl, seinen Kameraden im Arm, sich mit den letzten Kräften nochmals
dem Baume zustieß, und an dessen Stamm über dem Abgrunde hängen blieb. Mit
einem Arm hielt er den ohnmächtigen Arnold umschlossen, und mit dem andern
stützte er sich an den Baumstamm, der ihn von dem Sturz in die Tiefe
zurückhielt.
von der man auf die Kluse hinabsehen konnte. Hier wurde für einige Minuten
Halt gemacht, weil der Weg bis hierher sehr steil gewesen war. Bald aber
ging es wieder vorwärts, und immer noch gab der Mond Licht genug, um den
Weg erkennen zu können. Ueber eine Stunde lang waren die Wanderer in der
fröhlichsten Laune scherzend und lachend, beinahe fortwährend bergauf
gestiegen, als sie plötzlich die höchste Spitze der Wichtelkuppe erreicht
hatten, und wie von einem Thurme herab in das tiefe Werrathal hinunter
schauten. Der Mond hatte den Saum der Gebirge erreicht und warf seinen
letzten Blick auf den ruhigen Spiegel des Stromes, der sich wie eine
glänzende silberne Schlange durch das tiefe dunkele Thal hinwand. Bald
aber versank die helle Mondscheibe hinter dem Berge, die Nacht breitete ihr
Dunkel über die Erde, und die Sterne blitzten und funkelten lebendiger. Nur
im Osten zeigte der Himmel über den Gebirgssäumen einen bleichen Streif,
der den nahenden Tag verkündete. Von Minute zu Minute wuchs dieser
Lichtschein und seine bleichgelbe Farbe ging in ein zartes Rosenroth über.
Zugleich zitterte die Morgendämmerung über die Berge, und die einzelnen
Basaltkuppen und Waldstriche wurden im Thale sichtbar. Der Himmel färbte
sich immer feuriger, immer prächtiger, bis seine ganze östliche Hälfte mit
einem glühenden Roth bedeckt war.
Turner, dessen Gattin, und um sie herum die Kinder hatten sich auf
Felsstücke niedergesetzt, und hielten erwartungsvoll und von heiligen
Schauern durchbebt, die Blicke auf den Fleck über dem dunkeln Gebirgsrücken
geheftet, von wo aus die Gluth am Himmel aufzusteigen schien. Plötzlich
wurde dort ein glänzender heller Lichtpunkt sichtbar, die goldene Scheibe
der Sonne stieg empor, und ihr Strahlenlicht ergoß sich über die Erde.
"Erkennt die Größe des allmächtigen Gottes in diesem seinen Werke! sagte
Turner zu den Kindern, indem er die Hand nach dem aufsteigenden Gestirn
erhob. "Wie Alles in der ganzen Schöpfung Gottes Gnade bekundet, so sendet
auch dieses göttliche Werk Leben, Segen und Gedeihen über unsern Erdball.
Seht nur, wie die Natur erwacht und wie Alles neu belebt wird!
Kein Wölkchen war am Himmel zu erblicken, blau und durchsichtig spannte
er seinen hohen Bogen über die weite, im goldenen Morgenlicht glänzende
Berglandschaft, frisch und erquickend zog die Luft durch das Thal, und
rollte den leichten Nebel, der die Werra wie mit einem weißen Schleier
bedeckte, in kleinem Gewölk nach den Höhen hinauf, und Alles schien für den
ersten Pfingsttag geschmückt.
In die Herzen der Familie Turner war der Festtag schon mit dem Erwachen der
Natur eingezogen, und so wie die Vögel hoch in der Luft und unten im Thale
sich unter fröhlichem Gesange des Morgens erfreuten, so gaben auch
Turners sich der beglückenden Heiterkeit hin, die ihnen von allen Seiten
entgegenlachte. Noch über eine Stunde verweilten sie im Genusse des
herrlichen Morgens auf der luftigen Höhe, ehe sie an den Heimweg dachten.
Als aber Madame Turner daran erinnerte, daß man aufbrechen müsse, um zur
rechten Zeit in der Kirche erscheinen zu können, schlug ihr Gatte vor, auf
dem kürzeren Fußpfad, der an den Werra-Abhängen hinführte, zurückzugehen.
Alle stimmten freudig ein, weil dieser Weg beinahe fortwährend einen
Blick in das tiefe Thal gestattete, und so traten sie dann abermals ihre
Wanderung an. Der Pfad aber war schmal, so daß nur eine Person darauf
Platz hatte, und von Herrn Turner geführt, folgte Einer dem Andern. Oft
blieben sie stehen, um die steilen Felswände zu beiden Seiten des Flusses
zu bewundern, oder den kleinen Fischernachen nachzublicken, die wie
schwarze Punkte auf der Werra hinglitten. Wohl die Hälfte des Heimweges
hatten sie bereits zurückgelegt, als sie auf dem hohen Bergsaum einen
Platz erreichten, wo der Pfad an einer Felswand hinführte, und wo an dessen
anderer Seite der, mit losem Gestein bedeckte Boden sehr steil abschüssig
wurde, und in einer Entfernung von etwa hundert Fuß in einem senkrechten
schwindelnden Abhang nach dem Ufer des Stromes hinuntersank. Herr Turner
blieb stehen und rief den Kindern zu, voran zu gehen, damit er sie im Auge
behalten könne, und als sie bei ihm vorüber kamen, ermahnte er sie zur
Vorsicht auf diesem gefährlichen Wege. Carl Scharnhorst schritt voran,
indem er dem Hund pfiff, der soeben einen Hasen aufgejagt hatte und, ohne
auf den Pfiff zu hören, denselben verfolgte. Hinter Carl ging Julie, dann
kam Arnold, darauf Wilhelm, und Herr Turner, mit seiner Gattin vor sich,
beschloß den Zug. Die schmalste Stelle des Pfades war erreicht, als
plötzlich Pluto, um zu Carl zu gelangen, in vollem Lauf bei Herrn und
Madame Turner vorübersauste, und im Vorbeirennen an Arnold, diesen so
heftig zur Seite stieß, daß der Knabe von dem Pfade herabstürzte und an
dem steilen Berge hinunterrollte. Mit einem Schrei des Entsetzens sahen die
Eltern, wie der Knabe sich vergebens bemühte, seinem Hinabrollen Einhalt zu
thun; es war umsonst, das lose Gestein rollte mit ihm, und schon hatte er
die Hälfte des Abhanges, der zu dem senkrechten Abgrunde führte, erreicht,
als Carl sich pfeilschnell hinter ihm herstürzte, ihn mit seinen Armen
umklammerte, und alle seine Kräfte aufbot, ihn in dem furchtbaren Lauf
aufzuhalten. Umsonst - Beide rollten weiter dem unvermeidlichen Tode
entgegen. Carl hielt aber seinen Kameraden fest umschlossen, und lenkte nur
mit den Füßen seinen Weg einem einzelnen Baume zu, der am Ende des Abhanges
stand und über die gähnende Tiefe hinabhing. Wie vom Tode erfaßt und in
Verzweiflung erstarrt, sahen die Eltern händeringend den beiden Knaben
nach, wie dieselben dem äußersten Rande des Abgrundes immer näher kamen und
das lose Gestein um sie her ihnen voran in die bodenlose Tiefe rollte. Noch
lagen nur wenige Schritte zwischen den Knaben und dem äußersten Felsrand,
als Carl, seinen Kameraden im Arm, sich mit den letzten Kräften nochmals
dem Baume zustieß, und an dessen Stamm über dem Abgrunde hängen blieb. Mit
einem Arm hielt er den ohnmächtigen Arnold umschlossen, und mit dem andern
stützte er sich an den Baumstamm, der ihn von dem Sturz in die Tiefe
zurückhielt.