Text - "Isabella von Ägypten" Achim von Arnim

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Der Kleine war in der Zwischenzeit mit dem Bärnhäuter schon auf den Jubelplatz in der Mitte des Orts gegangen, um den Erzherzog zu erwarten, von dem er sich recht viel Ehre versprach. Zu seinem Leid mußte er dessen Abwesenheit von Edelknaben des Prinzen erfahren, die vor dem Rathause, dessen prachtvoller alter Bau mit großen Fenstern und Türmen der einzige Rest von der ehemaligen Größe des Ortes war, alle Reden der Gemeindevorsteher, die auf den Prinzen berechnet waren, abhörten. Er wollte gleich nach Hause, um die fehlgeschlagene Erwartung mit dem Prinzen seinen Frauen anzukündigen; aber ein paar Vertraute Cenrios, die ihn auch kannten, nahmen ihn beiseite und sprachen ihm vor, warum er sich jetzt keine ansehnliche Stelle unter dem neuerrichteten Fähnlein vom Prinzen erbitte, den er so gut kenne und der ihm so gewogen. Der Kleine wurde ganz heiß vor eitler Lust bei diesem erwünschten Vortrage, der seinen Lieblingsgedanken zutage förderte, er ließ sich wohlgefällig mit den beiden in ein Gespräch ein, und als sie ihn auf ein Glas Wein in ein nahgelegenes Haus nötigten, schickte er den treuen Bärnhäuter an seine Frauen mit der Nachricht zurück, daß sie den Erzherzog nicht unnütz erwarten möchten, er sei ausgeblieben, einige wichtige Geschäfte hielten ihn mit Edelleuten des Hofes zurück, nachher wollte er ihnen die Zeit vertreiben. Die Zeit verging dem Kleinen sehr schnell, denn außer den schmeichelnden Freunden und dem guten Weine wirkte auf ihn der Rausch einer unendlichen Volksmenge, die sich mit Leib und Seele diesen drei lustigen Tagen aufopfern wollte und deswegen auch nicht die kleinste Zeit in dem angefangenen Werke zu verlieren strebte. Welche Vorräte an Fleisch, Kuchen und Brot wurden da teils von den Ankommenden ausgepackt, teils aus den Wirtshäusern geholt; es war ein Frühstück, wie sonst ein erstes Mittagsbrot nach dem Fasten, und sicher wäre den Heißhungrigen mancher der ungeheuren Bissen im Halse stecken geblieben, wenn sie nicht eine künstliche Schleuseneinrichtung mit Wein und Bier gemacht hätten, wodurch alles glücklich an seinen Ort hinuntergeschwemmt wurde. Die Niederländer verstehen so etwas vortrefflich, und die Städter waren in dieser Zeit so übermächtig reich durch Handel und Wandel mit aller Welt, daß ihnen alles einländische, unmittelbare Landeserzeugnis fast unbedeutend wenig kostete. Einem Reichen war es eine Kleinigkeit, Tausende durch Wohltaten zu sättigen, darum gab es eigentlich keine Notleidende in den Städten und nur Bettler, die in dem müßigen Leben ihre Freude fanden. Aber auch diese entzogen sich zu solchen öffentlichen Festen ihren Lumpen und trieben als Schauspieler in Königstracht ihren Mutwillen vor der Welt, deren Mitleid sie sonst anflehten. Einige Fässer, die mit Brettern überlegt waren, dienten ihnen zum Theater, ein Platzknecht, ein langes, ausgestopftes Kissen an der Peitsche, hieb auf die Kinder, die in ihrer Neugierde an das Theater heranklettern wollten; zugleich hatte er eine Schellenkappe mit Eselsohren auf dem Kopfe, sprach als Narr im Stücke und mit den Zuschauern. Unser Kleiner war ganz entzückt von dem Schauspiele. Die Geschichte des Menschen, der, von seiner Frau in einen Hund verwandelt, soviel vergebliche Versuche macht, sich den Leuten als ein vernünftiger Mensch zu beweisen, zog ihn so an, daß er so nahe kletterte, bis ihm der Platzknecht einen derben Schlag über den Rücken zog. Unser Kleiner glaubte sich vor den Augen aller Welt grimmig beschimpft, er zog seinen Degen und ging gegen den Schalksnarren an, der sich sehr lächerlich mit seiner ausgestopften Wurst gegen ihn verteidigte; alles schrie vor Vergnügen. Viele, weil sie den Spaß zwischen dem kleinen und dem großen Manne für eine verabredete Posse hielten, munterten beide auf; die Kinder kletterten auf die Schultern der Erwachsenen, andre stiegen auf Tische und auf die eisernen Stangen zwischen den Bogen des Rathauses, auf die Bäume, woran sie wie seltsame Früchte hingen. Die beiden Edelleute sahen diesem Ritterzug ihres Schutzempfohlnen eine Zeitlang mit ungemeiner Freude zu, als er aber dem Narren ein kleines Loch in die Wade mit seinem Degen gestochen, da fürchteten sie für ihn, denn die Zuhörer waren mit dieser Störung gar nicht mehr zufrieden, und ein Bauer sprach schon davon, ihm Nase und Ohren abschneiden zu wollen. Sie griffen ihn deswegen, steckten ihn unter ihre Mäntel und trugen ihn, so heftig er sich sträuben mochte, in das erste beste Haus, was sich ihnen öffnete. Der Zufall wollte, daß es das Haus der guten Frau Nietken war, die wegen einer Zahl feiler Stadtjungfern, die ein paar Zimmer gemietet hatten, diese Türe stets offen lassen mußte, damit die Menschen so unbemerkt wie möglich einschlüpfen konnten. Welch eine Freude dieser Jungfern über die beiden schönen Edelleute und über den kleinen Zwerg, denn so nannten sie ihn, bis er grimmig auf sie einging und sich als einen jungen Offizier ihnen kund gab. Es gab tausend Spaß mit ihm, wir wollen ihn nicht wiederholen; aber der Mutwille der Edelleute, die Frechheit der Weiber und der Hochmut des Kleinen trieb sich wie Kreisel und Peitsche, und wurde der Kleine ungeduldig und wollte ausreißen, da schrien ein paar, als stände der Narr mit den Bauern noch vor der Türe und wollte ihm die Ohren abschneiden.