Jeder Mensch hat bekanntlich seinen Tollpunkt - die Vermietungsfrage war der Tollpunkt des Doktors!
So lange der unheilvolle, weiße Zettel über seiner Türe prangte, war er melancholisch - seine Gedanken irrten mit beängstigender Beharrlichkeit, aufgescheuchten Vögeln gleich, um das betreffende Quartier, und er begann und schloss den Tag mit Seufzen. Wenn seine Frau mit dem triftigen Trostgrunde ins Feld rückte, dass ja noch nie eine Wohnung in ihrem Hause leer geblieben sei, so grub der Doktor regelmäßig einen alten General aus, der inzwischen, nach der seitdem verflossenen Zeit zu schließen, längst zum Feldmarschall oder unter die himmlischen Heerscharen avanciert sein musste, und dessen Quartier einst ein volles Vierteljahr unvermietet gestanden hatte.
Zeigte sich dann ein präsumtiver Mieter, so begann ein neues Stadium in dem Zustande des Doktors. Er hatte für nichts anderes Sinn und Gedanken, als für die Chance, er sang mit dem französischen Grenadier "was schiert mich Weib, was schiert mich Kind? und war für alle häuslichen Vorkommnisse taub und blind.
Heute nun war, gleich einem Sonnenblick, in sein umdüstertes Gemüht ein Brief gefallen, in dem ein der Familie bekannter Baron von Rabeneck um die Erlaubnis bat, am Nachmittag zu erscheinen und die annoncierte Wohnung in Augenschein zu nehmen.
Der Baron galt zwar für einen etwas langweiligen und unsäglich neugierigen Herrn - aber in der Not ist man nicht wählerisch - der Baron wollte Mieten, und der Hausherr sah seinem Eintreffen seit drei Uhr mit fieberhafter Spannung entgegen.
Die Familie - Käthe, die Älteste, ausgenommen, die, wie wir wissen, bei Fräulein Sabine war, saß um den Kaffeetisch. Eine stattliche Reihe von schulpflichtigen Kindern - zwar nicht so viel, als unser schwäbischer Freund besaß, der auf eine Anfrage nach dem Befinden der Seinen antworten konnte: "ich danke, die Meischte sind wohl - aber immerhin genug, um zu Zeiten recht angenehmen Spektakel zu machen.
Die Hausfrau dirigierte mit Wort und Blick die stillbewegte Gruppe, die zur Eile angetrieben wurde, um beim Erscheinen des Mieters nicht den Eindruck der Räume abzuschwächen. Jetzt klingelte es.
"Kinder, schnell - trinkt aus, das ist er! rief der Vater, und ließ sich in der Eile zu der unmännlichen Handlung des Umgießens aus der Ober- in die Untertasse für seinen jüngsten Sohn verleiten - doch zu spät! Die Thür ging auf - aber nicht der Baron erschien, sondern das heiter lächelnde Angesicht der Frau Majorin Scharff. Die Kinder gingen trotzdem auf einen Wink der Mutter hinaus. -
Frau Scharff bewohnte mit ihrem Gatten, einem Major a. D., die Beletage. Dieser Gatte und ihr Sohn waren ziemlich die beiden einzigen Gegenstände, welche sich die Frau Majorin nicht geborgt hatte, sondern rechtmäßig besaß. Man kann es ihr daher nicht übel nehmen, wenn sie mit besonderem Stolz auf diese beiden blickte. Eine gute, ganz gescheidte Frau von stets heiterem Temperament, hatte sie nur die Manie, alles zu verlegen, zu verlieren, und sich mit einer wahrhaft genialen Unverdrossenheit durch Entlehnen von dem, was ihr momentan fehlte, aus der Verlegenheit zu ziehen.
Ihr Mann wußte entweder nichts davon - oder er wollte nichts davon wissen, was ziemlich auf eins herauskommt. Er hatte es zu seiner Vorgesetzten und seinem eigenen größten Erstaunen bis zum Major gebracht und war dann erschöpft ins Privatleben zurückgesunken. Seine Geisteskräfte, die ohnehin nie üppig wucherten, hatten sich seitdem auf Whist konzentriert, und keine Gemütsbewegung, kein Familienereignis freudiger oder trauriger Natur war bisher im Stande gewesen, ihn derart zu erregen, daß er nicht, so wie der erste Sturm vorüber war, die Seinigen gefragt hätte: "machen wir heute keine Partie?
Ja es ging die dumpfe Sage, daß er an dem Abend, wo sein einziger Sohn das Licht der Welt erblickte, zwei Stunden darauf einen Whisttisch herbeigeschoben und seiner Schwiegermutter zur Erholung eine Partie Whist vorgeschlagen habe.
So lange seine Bequemlichkeit und sein Whist ihm ungestört blieben, ließ er den Dingen ihren Lauf, und seine Frau mochte die Wirtschaftsutensilien aus allen benachbarten Familien rekrutieren - ihn focht es nicht an.
Sein Sohn, der inzwischen als sehr begabter und tüchtiger Offizier die beste Karriere machte, hatte für ihn erst Interesse gewonnen, als er den Dritten beim Whist abzugeben vermochte, was den jungen Mann nicht hinderte, seinen Vater sehr zu lieben, und mit großer Ehrerbietung an beiden Eltern zu hängen. Dieser Sohn, das Glück und der Stolz der Mutter, wurde, wie wir von Käthe gehört haben, erwartet, und die Frau Majorin hatte bereits eine Bettstelle mit Betten, einen Teppich, einen Waschtisch und zwei Leuchter von der Doktorin Lang entlehnt, und kam soeben, um zu fragen, ob ein überzähliger Flügel reiner Gardinen vakant wäre, da sie das Gastzimmer sonst soweit in Ordnung habe.
Die gutmütige Doktorin versprach, danach zu sehen, und lud ihre Hausgenossin zum Sitzen ein. Doch diese lehnte ab.
So lange der unheilvolle, weiße Zettel über seiner Türe prangte, war er melancholisch - seine Gedanken irrten mit beängstigender Beharrlichkeit, aufgescheuchten Vögeln gleich, um das betreffende Quartier, und er begann und schloss den Tag mit Seufzen. Wenn seine Frau mit dem triftigen Trostgrunde ins Feld rückte, dass ja noch nie eine Wohnung in ihrem Hause leer geblieben sei, so grub der Doktor regelmäßig einen alten General aus, der inzwischen, nach der seitdem verflossenen Zeit zu schließen, längst zum Feldmarschall oder unter die himmlischen Heerscharen avanciert sein musste, und dessen Quartier einst ein volles Vierteljahr unvermietet gestanden hatte.
Zeigte sich dann ein präsumtiver Mieter, so begann ein neues Stadium in dem Zustande des Doktors. Er hatte für nichts anderes Sinn und Gedanken, als für die Chance, er sang mit dem französischen Grenadier "was schiert mich Weib, was schiert mich Kind? und war für alle häuslichen Vorkommnisse taub und blind.
Heute nun war, gleich einem Sonnenblick, in sein umdüstertes Gemüht ein Brief gefallen, in dem ein der Familie bekannter Baron von Rabeneck um die Erlaubnis bat, am Nachmittag zu erscheinen und die annoncierte Wohnung in Augenschein zu nehmen.
Der Baron galt zwar für einen etwas langweiligen und unsäglich neugierigen Herrn - aber in der Not ist man nicht wählerisch - der Baron wollte Mieten, und der Hausherr sah seinem Eintreffen seit drei Uhr mit fieberhafter Spannung entgegen.
Die Familie - Käthe, die Älteste, ausgenommen, die, wie wir wissen, bei Fräulein Sabine war, saß um den Kaffeetisch. Eine stattliche Reihe von schulpflichtigen Kindern - zwar nicht so viel, als unser schwäbischer Freund besaß, der auf eine Anfrage nach dem Befinden der Seinen antworten konnte: "ich danke, die Meischte sind wohl - aber immerhin genug, um zu Zeiten recht angenehmen Spektakel zu machen.
Die Hausfrau dirigierte mit Wort und Blick die stillbewegte Gruppe, die zur Eile angetrieben wurde, um beim Erscheinen des Mieters nicht den Eindruck der Räume abzuschwächen. Jetzt klingelte es.
"Kinder, schnell - trinkt aus, das ist er! rief der Vater, und ließ sich in der Eile zu der unmännlichen Handlung des Umgießens aus der Ober- in die Untertasse für seinen jüngsten Sohn verleiten - doch zu spät! Die Thür ging auf - aber nicht der Baron erschien, sondern das heiter lächelnde Angesicht der Frau Majorin Scharff. Die Kinder gingen trotzdem auf einen Wink der Mutter hinaus. -
Frau Scharff bewohnte mit ihrem Gatten, einem Major a. D., die Beletage. Dieser Gatte und ihr Sohn waren ziemlich die beiden einzigen Gegenstände, welche sich die Frau Majorin nicht geborgt hatte, sondern rechtmäßig besaß. Man kann es ihr daher nicht übel nehmen, wenn sie mit besonderem Stolz auf diese beiden blickte. Eine gute, ganz gescheidte Frau von stets heiterem Temperament, hatte sie nur die Manie, alles zu verlegen, zu verlieren, und sich mit einer wahrhaft genialen Unverdrossenheit durch Entlehnen von dem, was ihr momentan fehlte, aus der Verlegenheit zu ziehen.
Ihr Mann wußte entweder nichts davon - oder er wollte nichts davon wissen, was ziemlich auf eins herauskommt. Er hatte es zu seiner Vorgesetzten und seinem eigenen größten Erstaunen bis zum Major gebracht und war dann erschöpft ins Privatleben zurückgesunken. Seine Geisteskräfte, die ohnehin nie üppig wucherten, hatten sich seitdem auf Whist konzentriert, und keine Gemütsbewegung, kein Familienereignis freudiger oder trauriger Natur war bisher im Stande gewesen, ihn derart zu erregen, daß er nicht, so wie der erste Sturm vorüber war, die Seinigen gefragt hätte: "machen wir heute keine Partie?
Ja es ging die dumpfe Sage, daß er an dem Abend, wo sein einziger Sohn das Licht der Welt erblickte, zwei Stunden darauf einen Whisttisch herbeigeschoben und seiner Schwiegermutter zur Erholung eine Partie Whist vorgeschlagen habe.
So lange seine Bequemlichkeit und sein Whist ihm ungestört blieben, ließ er den Dingen ihren Lauf, und seine Frau mochte die Wirtschaftsutensilien aus allen benachbarten Familien rekrutieren - ihn focht es nicht an.
Sein Sohn, der inzwischen als sehr begabter und tüchtiger Offizier die beste Karriere machte, hatte für ihn erst Interesse gewonnen, als er den Dritten beim Whist abzugeben vermochte, was den jungen Mann nicht hinderte, seinen Vater sehr zu lieben, und mit großer Ehrerbietung an beiden Eltern zu hängen. Dieser Sohn, das Glück und der Stolz der Mutter, wurde, wie wir von Käthe gehört haben, erwartet, und die Frau Majorin hatte bereits eine Bettstelle mit Betten, einen Teppich, einen Waschtisch und zwei Leuchter von der Doktorin Lang entlehnt, und kam soeben, um zu fragen, ob ein überzähliger Flügel reiner Gardinen vakant wäre, da sie das Gastzimmer sonst soweit in Ordnung habe.
Die gutmütige Doktorin versprach, danach zu sehen, und lud ihre Hausgenossin zum Sitzen ein. Doch diese lehnte ab.