Eines Tages nun erschien ein solcher Regierungsbeamter in Begleitung eines Schreibers in der Wohnung meines Großoheims, der eben in einem alten vergessenen Buche über ein altes vergessenes Rechtsverfahren las und die eintretende Gesellschaft nicht eher bemerkte, als bis ihn das plötzliche Stillstehen der schnurrenden Spinnräder seiner Frau und Töchter aus dem träumenden Nachdenken weckte. Er klappte also bedächtig das Buch zu, nachdem er vorsichtigerweise durch ein eingebogenes Eselsohr die Stelle bezeichnet hatte, wo er in einem endlosen Fiskalatsprozeß die interessante Lektüre hatte unterbrechen müssen, und fragte die Herren nach ihrem Begehr. Die Frau und die beiden Töchter standen wie bei jedem Besuche, der in den Hafen ihrer Häuslichkeit verschlagen wurde, verlegen und mit überflüssigen Gesichtern in den Ecken, als ob sie sich selbst im Wege wären, während sich die kleine Mauritia, in der Familie herkömmlich Moritz geheißen, hinter die geöffnete Tür des Schlafzimmers geflüchtet hatte.
Der Herr Kommissarius nun, der eine Uniform anhatte und für andere Leute streng, für sich selbst aber selbstgefällig schlau aussehen wollte und aufs Haar einem Narren glich, fragte mit geheimnisvoller Weitschweifigkeit vorerst den Familienvater um seinen Namen und Stand, dann um Frau und Kinder, worauf ihm der Großoheim die beiden Töchter vorstellte. Diese traten, nicht eben reizende Gestalten, mit plastischer Unweltläufigkeit, linkisch und hocherrötend, vor und hatten ein Ansehen, als erwarteten sie mit schuldbewußten Mienen, aber heroisch gefaßt, einen grausigen Urteilsspruch. Doch es wurden bloß ihre Namen in die Liste geschrieben, gleichwie vorher die Namen von Vater und Mutter. "Habt ihr sonst keine Kinder? fragte nun der fremde Mann sehr strenge. "Doch noch ein kleines, antwortete die Frau, welche ihrem Manne zuvorkommen wollte, "aber Sie werden entschuldigen, es ist noch gar nicht gewaschen und ordentlich angezogen. - Das hat nichts zu sagen, erwiderte der Mann mit wunderbarer Mischung von Herablassung und Strenge. Die kleine Mauritia mußte also vorgestellt werden, und während die Großtante rief: "Moritz, Moritz wo bist du denn, komm einmal her und gib dem Herrn Vetter die Hand, stürzten die beiden Töchter mit Häscherschritten hinter die Tür, zogen Fräulein Mauritia, die sofort ihr Kriegsgeheul anstimmte, ziemlich gewalttätig hervor, putzten ihr mit einer Schürze die Nase und sahen sie drohend und grimmig an, froh, daß das unbekannte Verhängnis über ihre eigenen Häupter hinweggezogen. Tantchen Moritz aber, in dem beneidenswerten Stadium der Erscheinung sich befindend, in dem es auch dem geprüftesten Kenner nicht möglich wird, sei es aus der Gesichtsbildung, sei es aus der Tracht einen Schluß zu ziehen auf das Geschlecht, dem ein kleiner Weltbürger künftig angehören solle - konzertierte ruhig weiter, während der Großoheim dem Beamten Zeit und Ort der Geburt des kleinen Schreihalses gewissenhaft angab. Schließlich schrieb dieser strenge Mann eigenhändig noch eine Bemerkung in die von seinem Schreiber ausgefüllte Liste und empfahl sich. Der Oheim setzte sich wieder an seinen Prozeß, nachdem er noch für seine Frau und Töchter die erklärenden Worte hatte vernehmen lassen: "Das waren die Herren von der neuen Volkszählung, und Frau und Töchter setzten sich wieder an ihre Spinnräder, und der kleine Moritz schluchzte sich in einem Winkel in großen Pausen langsam in den Schlaf.
Nach Verlauf von achtzehn Jahren hatte sich manches geändert. Meine Großtante hatte das zeitliche gesegnet, und eine ihrer unmodischen Töchter, die gewiß zeitlebens eine reine Jungfrau gewesen, war ihr nachgefolgt und als grobknochiger Engel und gute Seele zum Himmel aufgeflogen. Die andere war bei ihrem alten Vater geblieben, welcher, wie es schien, so lange leben wollte, bis die Haarbeutel wieder in die Mode kämen. Durch seine geringe Pension allein ließ sich wenigstens sein hohes Alter nicht zureichend erklären. Noch jahrelang sah man seine melancholische Figur als ungestorbenes Gespenst um den Stadtgraben spazieren gehen.
Der Herr Kommissarius nun, der eine Uniform anhatte und für andere Leute streng, für sich selbst aber selbstgefällig schlau aussehen wollte und aufs Haar einem Narren glich, fragte mit geheimnisvoller Weitschweifigkeit vorerst den Familienvater um seinen Namen und Stand, dann um Frau und Kinder, worauf ihm der Großoheim die beiden Töchter vorstellte. Diese traten, nicht eben reizende Gestalten, mit plastischer Unweltläufigkeit, linkisch und hocherrötend, vor und hatten ein Ansehen, als erwarteten sie mit schuldbewußten Mienen, aber heroisch gefaßt, einen grausigen Urteilsspruch. Doch es wurden bloß ihre Namen in die Liste geschrieben, gleichwie vorher die Namen von Vater und Mutter. "Habt ihr sonst keine Kinder? fragte nun der fremde Mann sehr strenge. "Doch noch ein kleines, antwortete die Frau, welche ihrem Manne zuvorkommen wollte, "aber Sie werden entschuldigen, es ist noch gar nicht gewaschen und ordentlich angezogen. - Das hat nichts zu sagen, erwiderte der Mann mit wunderbarer Mischung von Herablassung und Strenge. Die kleine Mauritia mußte also vorgestellt werden, und während die Großtante rief: "Moritz, Moritz wo bist du denn, komm einmal her und gib dem Herrn Vetter die Hand, stürzten die beiden Töchter mit Häscherschritten hinter die Tür, zogen Fräulein Mauritia, die sofort ihr Kriegsgeheul anstimmte, ziemlich gewalttätig hervor, putzten ihr mit einer Schürze die Nase und sahen sie drohend und grimmig an, froh, daß das unbekannte Verhängnis über ihre eigenen Häupter hinweggezogen. Tantchen Moritz aber, in dem beneidenswerten Stadium der Erscheinung sich befindend, in dem es auch dem geprüftesten Kenner nicht möglich wird, sei es aus der Gesichtsbildung, sei es aus der Tracht einen Schluß zu ziehen auf das Geschlecht, dem ein kleiner Weltbürger künftig angehören solle - konzertierte ruhig weiter, während der Großoheim dem Beamten Zeit und Ort der Geburt des kleinen Schreihalses gewissenhaft angab. Schließlich schrieb dieser strenge Mann eigenhändig noch eine Bemerkung in die von seinem Schreiber ausgefüllte Liste und empfahl sich. Der Oheim setzte sich wieder an seinen Prozeß, nachdem er noch für seine Frau und Töchter die erklärenden Worte hatte vernehmen lassen: "Das waren die Herren von der neuen Volkszählung, und Frau und Töchter setzten sich wieder an ihre Spinnräder, und der kleine Moritz schluchzte sich in einem Winkel in großen Pausen langsam in den Schlaf.
Nach Verlauf von achtzehn Jahren hatte sich manches geändert. Meine Großtante hatte das zeitliche gesegnet, und eine ihrer unmodischen Töchter, die gewiß zeitlebens eine reine Jungfrau gewesen, war ihr nachgefolgt und als grobknochiger Engel und gute Seele zum Himmel aufgeflogen. Die andere war bei ihrem alten Vater geblieben, welcher, wie es schien, so lange leben wollte, bis die Haarbeutel wieder in die Mode kämen. Durch seine geringe Pension allein ließ sich wenigstens sein hohes Alter nicht zureichend erklären. Noch jahrelang sah man seine melancholische Figur als ungestorbenes Gespenst um den Stadtgraben spazieren gehen.