Text - "Max Butziwackel der Ameisenkaiser: Ein Buch für Kinder und große Leute" Luigi Bertelli

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Mit Tränen in den Augen und zornrotem Gesichte lief unser kleiner Max durch den Garten und kam zu einer Felsgrotte, aus der ein Brünnlein plätschernd hervorsprang. Dort setzte er sich auf einen moosigen Stein, stützte den Kopf auf beide Arme und starrte vor sich auf den Boden. Siehe, da lief eine Ameisenschar wie eine lange Prozession geschäftig ihre Straße hin und her. Max schaute ihnen eine Zeitlang zu und dachte: Wie schön haben's doch die Ameisen! Sie gehen den ganzen Tag spazieren, freuen sich des Lebens, müssen nicht lernen und kennen keine Prüfungen. Wenn ich doch nur auch eine Ameise wäre!

Er mußte seine Gedanken laut ausgesprochen haben; denn plötzlich hörte er neben sich eine Stimme:

Willst du, kleiner Faulpelz, wirklich eine Ameise werden?

Erschrocken wandte Max sich um und gewahrte einen sonderbaren Alten langsam auf sich zutreten. Gott, wie sah der Mann so merkwürdig aus! Woher war er nur gekommen? Auf seiner roten, spitzen Nase saß eine Riesenbrille, um den Hals schlang sich eine dicke, schwarze Binde, und ein grüner altmodischer Rock schleifte hinter seinen Fersen her. Dieser Mann beschaute lächelnd den verblüfften Kleinen mit Augen, die aus buschigen, fuchsroten Brauen hinter der funkelnden Brille wie Laternen leuchteten.

Es war alles so unheimlich, und der tapfere Max hatte Mühe, seine Furcht zu verbergen. Er hätte nicht gewagt, den Alten zu befragen, wer er sei, und wie er in Vaters Garten hereinkäme. Eine Weile betrachtete der Fremde unsern Butziwackel, der schüchtern und gar nicht keck wie sonst, aber neugierig wie immer auch seinerseits den Unbekannten musterte. Der holte jetzt kopfschüttelnd aus einer tiefen Rocktasche eine großmächtige Dose hervor, öffnete sie sachte, stopfte sich eine ausgiebige Prise in die Abgründe seiner großen Nase, nieste dreimal und brummte dann mit näselnder Stimme die sonderbaren Worte:

Ameis! Mit Fleiß! So sei's!

Leise vor sich hinlachend, schlürfte er dann in seinen grasgrünen Pantoffeln und dem langen Schlepprock den Kiesweg entlang, der zum Gartentürchen gegen den Wald zu führte.

Mit seinem roten Schnupftuch winkte er noch spöttisch Max zu, der ihm verwirrt nachschaute. Er bemerkte noch, wie der sonderbare Mann belustigt und kichernd seinen Kopf schüttelte und sodann geheimnisvoll hinter den Büschen am Wege verschwand. Starr vor Staunen und Verwirrung hatte Max die sonderlichen und unerklärlichen Worte vernommen. Wenn er sie leise nachsprach, so wurde ihm so furchtsam, so bang zu Mute, daß er am liebsten hätte fortlaufen mögen zu Therese und Moritz, die ihn vielleicht schon suchten. Allein, merkwürdig! Er konnte nicht vom Stein aufstehen, es war, wie wenn er festgeleimt wäre. Er wollte den Geschwistern rufen, die er von ferne auf dem Gartenwege sah, aber seine Stimme versagte. Er wollte ihnen zuwinken, aber er fühlte sich so bleiern müde, seine Augenlider waren schwer, sie fielen zu, und es wurde dunkel um ihn. Nein, wie sonderbar ward ihm doch zu Mute! Wurde er nicht klein und immer kleiner? War er nicht jetzt ganz weich und ein rundes Ding geworden? Er wollte die Arme heben, mit den Beinen zappeln, er hätte schreien mögen, weinen, fortlaufen, Widerstand leisten gegen die geheimnisvolle Kraft, die ihn zusehends veränderte und die, wenn sie noch länger über ihn Gewalt hatte, ihn zu einem spurlosen Nichts zusammenschrumpfen ließ. Er war wie eingeschnürt von allen Seiten, und deutlich spürte er, daß er die Form eines winzigen Eies annehme.

In diesem unglücklichen Augenblick dachte er noch an das weiße Wackelfähnlein. Er machte den verzweifelten Versuch, dieses beschämende Fetzchen zu verstecken, umsonst, umsonst!

Schon war Max am Ende seiner Verwandlung angelangt; er fühlte, wie seine Sinne sich verwirrten und umnebelten. Zwei schwarze Schatten tauchten noch vor seinen Blicken auf. O Gott, das waren vielleicht zwei Totengräber, die ihn holten! Gewiß, er täuschte sich nicht, sie hoben ihn sachte empor, und nun machte er den letzten angestrengten Versuch zu schreien:

Um Gottes willen, ich bin Max, helft mir doch das Zipfelchen verstecken!

Die vergebliche Mühe brachte ihn aber nur um die letzten Kräfte. Willenlos überließ er sich jetzt dem Schicksal und verlor das Bewußtsein.