Auf hoher See selbst, ohne Blick auf irgend eine Küste, verliert nach meiner individuellen Ansicht wenigstens die Größe des Eindrucks bedeutend.
Ich habe nicht selten Augenblicke gehabt, in welchem mir die Entfernung von Bord aus bis an die sichtbare Gränze der See gegen den Horizont wirklich lächerlich nahe erschien, eine Flintenschuß-Weite etwa. Man glaubt auf einer Scheibe zu stehen, deren Mittelpunkt das Schiff ist. Nicht ich allein erhielt diesen Eindruck, es theilten ihn viele der anderen Passagiere. Aber schon ein schwimmender Vogel zerstört jene unangenehme Täuschung großentheils und ein Segel, welches am Horizonte auftaucht, oder eine ferne Küste stellt den Begriff mächtiger Fernsicht wieder her.
Nach diesen Abschweifungen über den ersten Anblick der See, kehre ich auf die nicht sehr klaren Wogen der Weser zurück und beeile mich, die welche den Muth haben (figürlich gesprochen, ich meine den Muth die Langeweile zu bekämpfen) mir auf meiner Reise zu folgen, - ich beeile mich, sage ich, sie von der Weser auf den Kanal, und auch von dort wo möglich baldigst auf hohe See zu bringen.
Ich folge hier einfach den Eindrücken, wie ich sie empfunden, denn Merkwürdiges oder Neues wenigstens ist nicht zu berichten von einer durchschifften Strecke, die schon vielfach beschrieben worden.
Uns aber, den Passagieren der Reform, war mancherlei fremd, ungesehen wenigstens, wenn gleich schon öfters gehört, gelesen. Unsere erste Fahrt auf der Weser dauerte einige Stunden, dann wurden bei einbrechender Nacht die Anker geworfen. Des anderen Tages schlechter Wind, das heißt, gar keiner, und langsames Treiben auf dem Flusse einem Holzfloße ähnlich. Enten und Möven schwärmten um das Schiff, ich schoß einige derselben, aber wir konnten ihrer nicht habhaft werden.
Endlich wieder bessern Wind; wir sahen Bremerhaven und kamen am 28. April in die Nordsee. Wangerooge wurde uns gezeigt, und auf eine Zeit lang entschwand Europa unseren Blicken.
Auf der Nordsee sah ich die ersten Quallen. Manche derselben wurden gefangen und von mir gezeichnet. Zu wenig aber bewandert in diesem Zweige der Zoologie, darf ich nicht hoffen, Neues den Männern vom Fach bieten zu können, und so mögen jene auf der Reise gesammelten, ziemlich zahlreichen Skizzen in meiner Mappe bleiben, einfach zur Erinnerung für mich allein.
Indessen werde ich später Gelegenheit haben auf diese eigenthümlichen Geschöpfe zurückzukommen und einige Notizen über sie meinen Lesern vorzuführen. Ich war zu jener Zeit nach einigen Tagen des Zusammenlebens schon als "der Naturforscher an Bord" von den Genossen anerkannt worden, und freundlich wurde mir Alles dahin Bezügliche eingehändigt, dessen man habhaft werden konnte.
Hier kann ich nicht umhin einige Worte zur näheren Bezeichnung meiner Reisegefährten einfließen zu lassen, und es gereicht mir, der ich stets lieber gelobt als getadelt habe, zu großer Befriedigung, der Wahrheit getreu, hier nur Freundliches berichten zu dürfen.
Die Passagiere der Kajüte waren meist junge Kaufleute, welche in Kalifornien ihr Glück zu machen hofften. Einige gehörten auch, wie ich glaube, keinem besonderen Stande an, und durften einfach als die Söhne ihrer Väter betrachtet werden. Ein älterer Herr, ebenfalls Kajüten-Passagier, hatte früher in preußischen Diensten gestanden und wurde Lieutenant genannt. Ich habe während des viermonatlichen Zusammenlebens mit diesen Leuten fast nie einen Zank oder Streit gehört und kleine Mißhelligkeiten, unvermeidlich auf dem engen uns zugemessenen Raume, blieben stets in den Gränzen des Anstandes. Ein Fall von momentaner Tobsucht, hervorgerufen durch ungewohnten Genuß von Spirituosen kann nicht wohl als Ausnahme betrachtet werden. Ich erwähne dessen vielleicht später. Daß indessen kleine Neckereien mit unterliefen, läßt sich denken, und fast wollte es in der ersten Zeit der Fahrt scheinen, als solle ein oder das andere Individuum zur ständigen Zielscheibe erwählt werden. Ich glaube einigen Theil zu haben, daß dieß nicht wirklich geschah.
Was das Benehmen der Genossen gegen mich betraf, so muß ich wiederholen, daß solches das freundlichste gewesen, und mit dankbarer Anerkennung darf ich aussprechen, daß meine naturwissenschaftlichen Bestrebungen den lebhaftesten Anklang, und wo immer möglich, Hülfe und Beistand erfuhren. Was auch zu fischen und zu haschen war auf der See, brachte man mir, leistete hülfreiche Hand beim Präpariren und Zeichnen, und überließ mir willig den halben Raum der Kajüte zum Lesen und Schreiben. Aber auch in anderen Beziehungen war man gefällig, freundlich und zuvorkommend gegen mich, ich habe nie mit irgend einem der Genossen einen Aerger gehabt, ja ich erinnere mich keines Zwistes.
Das Benehmen der Zwischendeck-Passagiere gegen mich war dasselbe wie das der Kajüten-Passagiere, und ich muß einfach das dort Gesagte wiederholen. Indessen kamen im Zwischendecke wohl einigemal Streitigkeiten vor, doch selten und bald geschlichtet. Da Leute von ziemlich verschiedener Bildung, wohl auch Ansicht und Leidenschaft, dort zusammen leben mußten, und bei noch beengterem Raume als in der Kajüte, waren dort Zwiste wohl unvermeidlich. Indessen waren mehrere recht liebenswürdige Leute im Zwischendecke und ich erwähne als einer auffallenden und angenehmen Erscheinung eines Franzosen, der früher in Algier gefochten hatte und nun im Goldlande sein Glück verfolgen wollte. Ein feiner und gebildeter Mann, der ernst in's Leben schaute, aber dabei, so viel es nur immer thunlich, die Sorgfalt seiner Toilette nicht versäumte. Ich glaube, er war der einzige Passagier der Reform, der sich wöchentlich mehrmal rasirte. Er war offenbar aus guter Familie. Was hatte ihn nach Algier, was nach Kalifornien getrieben? Man wußte es nicht, denn solche Fragen werden nie an Bord gestellt und noch weniger in überseeischen Ländern selbst gethan. Häkchen oder Haken hat es da wohl nicht selten und so mag dort der alte Mantel christlicher Liebe in die gefällige Form moderner Weltanschauung gebracht, gegenseitig ersprießliche Dienste leisten.
Auch musikalische Talente fehlten nicht im Zwischendecke, und wurden mit mehr oder minderem Erfolge anerkannt. Noch muß ich eines Pudels errwähnen, intelligent wie alle seiner Race und vielfach erfahren in hündischen Künsten. Er unterhielt nicht selten die ganze Genossenschaft, hätte aber später fast zu einer Tragödie Anlaß gegeben.
Zu den 18 Passagieren der Kajüte und den etlichen vierzig im Zwischendecke kommen noch zwei weitere Passagiere, die in der oberen Kajüte des Kapitains Platz gefunden hatten. Der Schiffsarzt und seine Frau hatten eine kleine Koje ohnweit der Kapitains-Kajüte inne.
Ich habe nicht selten Augenblicke gehabt, in welchem mir die Entfernung von Bord aus bis an die sichtbare Gränze der See gegen den Horizont wirklich lächerlich nahe erschien, eine Flintenschuß-Weite etwa. Man glaubt auf einer Scheibe zu stehen, deren Mittelpunkt das Schiff ist. Nicht ich allein erhielt diesen Eindruck, es theilten ihn viele der anderen Passagiere. Aber schon ein schwimmender Vogel zerstört jene unangenehme Täuschung großentheils und ein Segel, welches am Horizonte auftaucht, oder eine ferne Küste stellt den Begriff mächtiger Fernsicht wieder her.
Nach diesen Abschweifungen über den ersten Anblick der See, kehre ich auf die nicht sehr klaren Wogen der Weser zurück und beeile mich, die welche den Muth haben (figürlich gesprochen, ich meine den Muth die Langeweile zu bekämpfen) mir auf meiner Reise zu folgen, - ich beeile mich, sage ich, sie von der Weser auf den Kanal, und auch von dort wo möglich baldigst auf hohe See zu bringen.
Ich folge hier einfach den Eindrücken, wie ich sie empfunden, denn Merkwürdiges oder Neues wenigstens ist nicht zu berichten von einer durchschifften Strecke, die schon vielfach beschrieben worden.
Uns aber, den Passagieren der Reform, war mancherlei fremd, ungesehen wenigstens, wenn gleich schon öfters gehört, gelesen. Unsere erste Fahrt auf der Weser dauerte einige Stunden, dann wurden bei einbrechender Nacht die Anker geworfen. Des anderen Tages schlechter Wind, das heißt, gar keiner, und langsames Treiben auf dem Flusse einem Holzfloße ähnlich. Enten und Möven schwärmten um das Schiff, ich schoß einige derselben, aber wir konnten ihrer nicht habhaft werden.
Endlich wieder bessern Wind; wir sahen Bremerhaven und kamen am 28. April in die Nordsee. Wangerooge wurde uns gezeigt, und auf eine Zeit lang entschwand Europa unseren Blicken.
Auf der Nordsee sah ich die ersten Quallen. Manche derselben wurden gefangen und von mir gezeichnet. Zu wenig aber bewandert in diesem Zweige der Zoologie, darf ich nicht hoffen, Neues den Männern vom Fach bieten zu können, und so mögen jene auf der Reise gesammelten, ziemlich zahlreichen Skizzen in meiner Mappe bleiben, einfach zur Erinnerung für mich allein.
Indessen werde ich später Gelegenheit haben auf diese eigenthümlichen Geschöpfe zurückzukommen und einige Notizen über sie meinen Lesern vorzuführen. Ich war zu jener Zeit nach einigen Tagen des Zusammenlebens schon als "der Naturforscher an Bord" von den Genossen anerkannt worden, und freundlich wurde mir Alles dahin Bezügliche eingehändigt, dessen man habhaft werden konnte.
Hier kann ich nicht umhin einige Worte zur näheren Bezeichnung meiner Reisegefährten einfließen zu lassen, und es gereicht mir, der ich stets lieber gelobt als getadelt habe, zu großer Befriedigung, der Wahrheit getreu, hier nur Freundliches berichten zu dürfen.
Die Passagiere der Kajüte waren meist junge Kaufleute, welche in Kalifornien ihr Glück zu machen hofften. Einige gehörten auch, wie ich glaube, keinem besonderen Stande an, und durften einfach als die Söhne ihrer Väter betrachtet werden. Ein älterer Herr, ebenfalls Kajüten-Passagier, hatte früher in preußischen Diensten gestanden und wurde Lieutenant genannt. Ich habe während des viermonatlichen Zusammenlebens mit diesen Leuten fast nie einen Zank oder Streit gehört und kleine Mißhelligkeiten, unvermeidlich auf dem engen uns zugemessenen Raume, blieben stets in den Gränzen des Anstandes. Ein Fall von momentaner Tobsucht, hervorgerufen durch ungewohnten Genuß von Spirituosen kann nicht wohl als Ausnahme betrachtet werden. Ich erwähne dessen vielleicht später. Daß indessen kleine Neckereien mit unterliefen, läßt sich denken, und fast wollte es in der ersten Zeit der Fahrt scheinen, als solle ein oder das andere Individuum zur ständigen Zielscheibe erwählt werden. Ich glaube einigen Theil zu haben, daß dieß nicht wirklich geschah.
Was das Benehmen der Genossen gegen mich betraf, so muß ich wiederholen, daß solches das freundlichste gewesen, und mit dankbarer Anerkennung darf ich aussprechen, daß meine naturwissenschaftlichen Bestrebungen den lebhaftesten Anklang, und wo immer möglich, Hülfe und Beistand erfuhren. Was auch zu fischen und zu haschen war auf der See, brachte man mir, leistete hülfreiche Hand beim Präpariren und Zeichnen, und überließ mir willig den halben Raum der Kajüte zum Lesen und Schreiben. Aber auch in anderen Beziehungen war man gefällig, freundlich und zuvorkommend gegen mich, ich habe nie mit irgend einem der Genossen einen Aerger gehabt, ja ich erinnere mich keines Zwistes.
Das Benehmen der Zwischendeck-Passagiere gegen mich war dasselbe wie das der Kajüten-Passagiere, und ich muß einfach das dort Gesagte wiederholen. Indessen kamen im Zwischendecke wohl einigemal Streitigkeiten vor, doch selten und bald geschlichtet. Da Leute von ziemlich verschiedener Bildung, wohl auch Ansicht und Leidenschaft, dort zusammen leben mußten, und bei noch beengterem Raume als in der Kajüte, waren dort Zwiste wohl unvermeidlich. Indessen waren mehrere recht liebenswürdige Leute im Zwischendecke und ich erwähne als einer auffallenden und angenehmen Erscheinung eines Franzosen, der früher in Algier gefochten hatte und nun im Goldlande sein Glück verfolgen wollte. Ein feiner und gebildeter Mann, der ernst in's Leben schaute, aber dabei, so viel es nur immer thunlich, die Sorgfalt seiner Toilette nicht versäumte. Ich glaube, er war der einzige Passagier der Reform, der sich wöchentlich mehrmal rasirte. Er war offenbar aus guter Familie. Was hatte ihn nach Algier, was nach Kalifornien getrieben? Man wußte es nicht, denn solche Fragen werden nie an Bord gestellt und noch weniger in überseeischen Ländern selbst gethan. Häkchen oder Haken hat es da wohl nicht selten und so mag dort der alte Mantel christlicher Liebe in die gefällige Form moderner Weltanschauung gebracht, gegenseitig ersprießliche Dienste leisten.
Auch musikalische Talente fehlten nicht im Zwischendecke, und wurden mit mehr oder minderem Erfolge anerkannt. Noch muß ich eines Pudels errwähnen, intelligent wie alle seiner Race und vielfach erfahren in hündischen Künsten. Er unterhielt nicht selten die ganze Genossenschaft, hätte aber später fast zu einer Tragödie Anlaß gegeben.
Zu den 18 Passagieren der Kajüte und den etlichen vierzig im Zwischendecke kommen noch zwei weitere Passagiere, die in der oberen Kajüte des Kapitains Platz gefunden hatten. Der Schiffsarzt und seine Frau hatten eine kleine Koje ohnweit der Kapitains-Kajüte inne.