Text - "Aus einer kleinen Garnison" Fritz Oswald Bilse

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Denn heute war Musikabend, zu welchem sich einmal in der Woche die engeren Freunde des Hauses versammelten, soweit sie musikalisch waren. Diesmal aber hatte man noch einige Familien dazu gebeten, damit sich alle von der erfolgreichen Tätigkeit der Künstler überzeugen sollten.

Hier rückte die Hausfrau einen Stuhl zurecht, dort strich sie glättend über ein gesticktes Deckchen, welche sie in allen Farben und Geschmacksrichtungen selbst gefertigt. Sie prüfte die Lampen auf ihre Lebensfähigkeit, klappte Klavier und Harmonium auf und warf schließlich einen liebevoll sorgenden Blick nach den gefüllten Blumenvasen, ob sie auch ihren duftenden Inhalt von der vorteilhaftesten Seite zeigten. Denn darauf hielt sie sehr, nie fehlte auf dem Kamin und dem Erkersims ein Sträußchen oder frisches Grün, selbst nicht zur kalten Winterszeit.

Frau Clara war eine mittelgroße Dame von etwa dreißig Jahren, mit einer gefälligen Figur und einem hübschen, frischen Gesicht. Die munteren blauen Augen gaben ihm im Verein mit dem geschmackvoll frisierten Blondhaar einen jugendlich angenehmen Ausdruck.

Jetzt ließ sie sich in einen Sessel nieder, denn es war alles in bester Ordnung. Das war übrigens immer so.

Da teilte sich die Portiére zum Nebenzimmer, und ihr Gatte, ein großer Herr mit schwarzem Schnurrbart, trat herein, um auch seines Amtes zu walten. Ihm lag es nämlich ob, den Kronleuchter anzuzünden. Im Allgemeinen pflegte er pro Gast nur eine Flamme zu brennen, heute aber ließ er den ganzen Lüstre in festlichem Glanze erstrahlen, denn man erwartete viele Gäste, während nur 5 Flammen vorhanden waren. So brannte er denn den Wachsstock an, welcher praktischer Weise meist auf oder dicht neben dem Ofen zu finden war, schimpfte über die hohe Gasrechnung, entzündete die Flammen, schüttete einen Eimer Kohlen in den Ofen und warf ein Blatt Papier hinterher, dass er nicht puffen sollte. Dann ließ er sich gleichfalls in einen Sessel nieder.

Herr Albrecht König war seines Zeichens wohlbestallter Rittmeister. Die Schwadron hatte er in bester Ordnung, denn er widmete sich ihr mit großem Eifer und nie erlahmender Sorgfalt. Fand sich Zeit und Muße, so las er die "Deutsche Zeitung", studierte den Kurszettel, arbeitete im großen, trefflich in Stand gehaltenen Garten des Hauses oder überwachte den Hühnerhof, dessen Eierertrag er für hohe Preise an seine Gattin verkaufte. Hatte er gar nichts zu tun, so führte er Schlachten mit seinem neunjährigen Sohne auf, hielt Weinproben ab oder übte Klavier, denn dieses Instrument verstand er fast meisterhaft zu spielen.

Ein Geräusch im Vorzimmer verkündete jetzt die Ankunft der ersten Gäste. Man vernahm einen langsam schleppenden Schritt und ein heftiges Schnauben. Die Tür ging auf, und herein trat Landrat von Konradi, ein wohlbeleibter Herr mit einem Klemmer auf der aristokratischen Nase, über den hinweg sein Blick jetzt forschend die Frau des Hauses suchte. Das Haar schien zwar ergraut, doch dunkel gefärbt, und böse Menschen wollten wissen, es geschehe für das schöne Geschlecht. Der Herr Landrat hatte nämlich keine Frau. Sein Ideal verkörperten ein gutes Diner und mehrere noch bessere Weinsorten, und, da beides im Hause des Rittmeisters zu finden war, kam er gern. Im Übrigen galt er für einen Gentleman.

Während er sich gerade bemühte, der Hausfrau mit Entrüstung zu erzählen, wie ein von ihm bestellter Fasan in gänzlich ungenießbarem Zustande angekommen sei, öffnete sich wieder die Tür und Frau Rittmeister Kahle trat ein.

Von kleiner, zierlicher Figur, jedoch mit einem Gesicht, welches dem eines ungezogenen Knaben glich, war sie im Allgemeinen eine ganz niedliche Erscheinung, nur spielte ein beständiges Lächeln um den etwas großen Mund, und wenn sie ihn auftat, ließ sich eine unzarte, fast kreischende Stimme hören.

Ihr folgten drei jüngere Herren, als erster Leutnant Pommer. Man schätzte ihn allgemein wegen seines natürlichen offenen Wesens; schien er dadurch auch manchmal etwas derb, so wusste doch jeder, wie es gemeint war. Mit besonderer Liebenswürdigkeit begrüßte er Frau Kahle, und es sah fast drollig aus, wie der große, korpulente Mann mit dem Nippfigürchen kontrastierte.

Der zweite war der Leutnant Müller. Wer es nicht wusste, sah an der selbstgefälligen Miene und der steifen Haltung des Herrn, dass er der Regimentsadjutant sein müsse. Er galt für den Schrecken aller Hausfrauen, denn er war unersättlich und vernichtete mit Seelenruhe die dreifache Portion wie ein anderer Sterblicher. Legten seine Tischgenossen die Gabel aus der Hand, so langte er mit der Versicherung, dass er gerade dieses sehr gern äße, zum dritten Male zu.

Der letzte der Herren war Leutnant Kolberg, ein auffallend blass aussehender junger Mann mit kühn emporgewirbelten Schnurrbartenden. Er führte ein unsolides Leben und rühmte sich einer bewegten Vergangenheit.

Während man der noch fehlenden Gäste harrte, bildeten sich einige Gruppen. Leutnant Kolberg war ebenfalls zu Frau Kahle getreten und maß sie von oben bis unten mit wohlgefälligen Blicken. Der Adjutant suchte von Frau König zu erforschen, was es zu essen gäbe, und als er es erfuhr, behauptete er sofort, es sei sein Leibgericht. Der Landrat plauderte mit dem Rittmeister über eine Weinreise, die sie gemeinsam zu unternehmen gedachten, um den Keller mit neuen Schätzen zu füllen.

Wieder ging die Tür auf, und herein schwebte eine ungeschickt gepuderte, aussagend korpulente Dame in einem schwarz und gelben Kleide, dessen Machart sich mit den unpassend zusammengestellten Farben in Geschmacklosigkeit überbot. Sie stürzte sofort auf Frau Clara zu, drückte ihr mit den rundlichen Fingern die Hand und gab ihrer Freude über die erhaltene Einladung Ausdruck. Den anwesenden Herren hielt sie die fleischige Rechte so dicht unter die Nase, dass diesen gar nichts anderes übrig blieb, als den obligaten Handkuss darauf zu drücken.