Text - "Romanzen vom Rosenkranz" Clemens Brentano

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Getrennet lebte fern ich von den Meinen
In strenger und unmütterlicher Zucht.
Denk ich der Zeit, seh ich sich mir versteinen
Die Tage in des Lebens Blumenflucht,
Wie kleine Gärten zwischen steilen Mauern,
Die nie ein Sonnenstrahl hat heimgesucht,
Wo kalte Marmorkinder einsam trauern,
Die wilder Buchs und Salbei trüb umkreist.
Ihr kennet wohl des Knaben einsam Trauern!
Ich fühlte elend mich und tief verwaist.
Du, Schwester, die die trüben Tage teilte,
Du fühltest auch, was fremde Pflege heißt.
Den Genius, der früh bei mir verweilte,
Den sah ich dort zuerst, als unerkannt
Er mir das junge Herz begeisternd heilte.
Da schmückt ich mich mit einem blauen Band,
Und fesselt mich mit goldpapiernen Ketten,
Trug einen Schäferstab in kindscher Hand
Und auf der Brust geweihte Amuletten.
Ein alter Scherbenhügel war mein Thron;
Ich sprach: Wer will den armen Sklaven retten?
Fürst, Schäfer war ich, und verlorner Sohn,
Und sehnt mich zu den zarten Wolkenschafen,
Die durch den Himmel überm Haupt mir flohn.
So war ich einst begeistert dort entschlafen.
Schon stiegen die Gestirne aus dem Blau,
Die gütig mich mit ihrem Segen trafen;
Es spiegelte der Traum sich in dem Tau,
Der meine Stirne kühlend schon benetzte;
Er führte mich auf eine stille Au,
Wo eine Kinderschar sich laut ergötzte.
Fremd schienen sie; ich stand an einem Baum,
Zu dem ich scheu mich endlich niedersetzte.
O seliger, o himmelvoller Traum!
Ich sah hinauf. Aus deinem Himmel, Linde,
Zog nieder eines weißen Kleides Saum,
Und nieder stieg ein Kind aus dem Gewinde
Der Zweige, die es neidisch mir versteckt,
Ein Ebenbild von jenem Firmungskinde.
Sehnsüchtig hatte ich die Arme ausgestreckt,
Da kamen sie, dich boshaft mir zu rauben,
Die Unverständ'gen haben mich geweckt.
Nie blüht ihr wieder mir, ihr Jugendlauben,
Im Fackelschimmer nie betrogner Lust!
Die Liebe starb, die Hoffnung und der Glauben.
Was füllet jetzt die narbenvolle Brust?
Verbrannt das Herz! wie knirscht die tote Kohle!
Das habt ihr stillen Tränen wohl gewußt.
Zur Stube mußt ich, harte Worte holen,
Zur Strafe büßt ich ein mein Abendbrot,
Als hätte ich, was Gott mir gab, gestohlen:
Des selgen Traumes tiefes Abendrot.
Da war mein Herz im Innersten ergrimmet,
Ich fühlte recht, was mir zum Dasein not:
Ein Himmel blau, in dem die Hoffnung schwimmet,
Ein Schmerz in meiner freien starken Hand,
Die ihn nach ihren Melodien stimmet.
Und alles dies, was da zuerst ich fand,
Ward mit Moralien und trocknen Blicken
Zertrümmert mir, was niemals ich verstand.
Entschuldigend erzählt ich mein Entzücken;
Da lachte man den armen Träumer aus,
Den Scherbenkönig, drehte mir den Rücken;
Und als ich weinte, bracht man mich hinaus
Zum dunklen Gartensaal voll Malereien,
Der immer mich erfüllet hat mit Graus.
Es schienen da in traurig langen Reihen
Die Bilder von den Schatten überbebt,
Die mondumspielte Rebenlauben streuen.
Den Richter sah ich, der das Schwert erhebt,
Vor Salomon das Kindlein zu zerspalten;
Es schwankt das Laub, er zuckt, er scheint belebt.
Ich schauderte und konnte mich nicht halten
Und kniete nieder vor Mariens Bild.
Die Hände hab ich innig da gefalten
Und flehte kindisch zu der Mutter mild:
"O, Mutter Gottes, hilf dem armen Kinde!"
Da deckte sie mich mit allgütgem Schild;
Mein Schmerz zerfloß im Beten hin gelinde,
Es senkte nieder sich der ernste Traum,
Ich schlummert ein im Schatten jener Linde.