Text - "Das Lob der Narrheit" Desiderius Erasmus

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Was die Sterblichen auch immer von mir schwatzen mögen (ich weiß es, meine Herren, ich weiß es, in welchem bösen Rufe die Narrheit auch bey den gröbsten Narren steht) so bin doch ich es, ich, wie Sie mich hier vor sich stehen sehen, durch deren übermenschliche Kraft den Herzen der Götter und der Menschen die muntersten Freuden eingeflößt werden. Wollen Sie hierüber einen Beweis? Hier ist ein überzeugender:

Kaum war ich aufgetreten, um in dieser zahlreichen Versammlung eine Rede zu halten, so ward plötzlich jedes Antlitz mit einem neuen und ungewöhnlichen Schimmer der Fröhlichkeit übergoldet; plötzlich entfaltete sich jede Stirn; im hellsten liebenswürdigsten Lächeln wird mir von allen Orten der holdeste Beyfall zugewinkt. Wo ich meinen Blick hinrichte, sehe ich Gesichter, die mich nicht anderst denken lassen, als jedermann habe sich bey dem Nektar, dem es die Homerischen Götter bey ihrem Gelache gewiß an dem Safte des die Traurigkeit verbannten Ochsenzungenkrautes nicht fehlen lassen, in die beste Laune getrunken: und vorhin sah jeder so finster und grämlich aus, als ob er geradesweges aus einer Eremitenzelle zurückkomme. Wie wenn die Sonne am frühen Morgen ihr goldschönes Antlitz der Erde zuwendet; wie wenn nach dem rauhen Winter der neue Frühling mit seinem belebenden Hauche kommt: jugendlich glänzt das Antlitz der ganzen Natur; Farbe, Anzug, alles hat sich verjüngt: also, meine Herren, hat sich auch auf ihren Angesichtern, sobald sie einen Blick auf mich gerichtet hatten, alles geändert. Große Redner! schwarze Sorgen wollt ihr aus den Herzen der Zuhörer verbannen; und wie betreibt ihr's? in einer viele Nächte hindurch abgezirkelten langweiligen Rede arbeitet ihr oft vergeblich daran. Schämet euch! Sehet, mit einem einzelnen Blicke hab ichs zu Stande gebracht!

Warum ich heute in einem so ungewöhnlichen Aufputze erscheine? Sie werden es sogleich vernehmen, meine Herren, wenn es ihnen nicht zu beschwerlich ist, mir ein geneigtes Ohr zu gönnen; aber bey Leibe ja nicht ein solches, das Sie den ehrwürdigen Kanzelrednern zuwenden, sondern ein solches, das Marktschreyern, Possenspielern und Lustigmachern immer offen steht; ein solches, wie ehedem unser Midas dem Pan ein stattliches Paar zuwendete.

Mich hat die Laune angewandelt, mich Ihnen für eine Weile als Sophistin zu weisen; nicht von der Art jener, die in unsern Zeiten der Schuljugend einige Armselichkeiten ängstlich einbläuen und dabey lärmend ein mehr als weibisches Gekeif ergellen lassen. Ich werde jenen Alten nachahmen, die sich, um dem mir so verhaßten Namen der Weisen klüglich auszuweichen, Sophisten nannten. Sie übernahmen es, das Lob der Götter und der Helden herauszustreichen. Man halte sich also in Bereitschaft, eine Lobrede anzuhören; nicht auf einen Herkules, einen Solon, sondern auf mich, d. i. auf die Narrheit.

Ich mache mir nicht das geringste daraus, wenn jene Weisen jeden, der sich selbst lobt, für einen Narren und Unverschämten ausschreyen. Närrisch so viel sie wollen, wenn sie nur eingestehen, daß es dem Charakter angemessen sey. Und was könnte sich für die Narrheit besser schicken, als ihr Lob selbst auszuposaunen, und nach ihrer eigenen Pfeife zu tanzen? Wer wird mich natürlicher schildern, als ich es selbst thun kann? Wer steht in genauerer Bekanntschaft mit mir, als ich?

O ja, man wird mir eingestehen, daß ich mich noch bescheidener betrage, als der Haufe der Großen und Weisen, welche bey einer verkehrten Schamhaftigkeit, einen fuchsschwänzerischen Schwätzer, oder einen windichten Dichter mit baarem Gelde dingen, um aus seinem Munde ihr eigenes Lob anhören zu können; das ist eitele Lügen: und dann steht der Schamprahler da wie der Pfau, der mit dem ausgebreiteten Schweife stolziert, den Kamm hochtragend. Der unverschämte Schmeichler vergleicht den Taugenichts mit den Göttern; er streicht ihn als das vollkommenste Tugendmuster heraus und weiß doch, daß derselbe himmelweit davon entfernt sey; er verziert eine kleine Krähe mit fremden Federn; wascht einen Moren; macht aus einer Mücke einen Elephanten. O ich, ich folge dem gemeinen Sprüchworte; wenn niemand mich loben will, so lob ich mich selbst.