Ich wohne in einem Waldlande, in dem es viele alte Schlösser gibt. Keine Ruinen, das ist eben das Besondere, sie sind alle wohl erhalten und liebevoll gepflegt. Jedes dieser Schlösser hat viel erlebt - sie alle haben den Jammer des dreißigjährigen Krieges an sich vorüberrauschen hören - sie sahen ein kümmerliches deutsches Leben wieder erstehen - sie wissen viele, viele Geschichten, die alten Schlösser. Darum liebe ich sie auch so sehr.
Keines aber liebe ich mehr als ein vergessenes Waldschloß, das ich Schweigen nennen will. Es ist eine Burg mit Palas und Bergfried und äußerem und innerem Schloßhof. Im äußeren Schloßhof steht eine herrliche Linde, von einer Brustwehr umgeben, von der man hinunter sieht in grüne Täler und hinüber an blaue Waldberge. Auch ein Brünnlein singt dort sein eintöniges Lied. Die Linde ist sehr alt, gewiß dreihundert Jahre, sie rauscht so seltsam, diese Linde, die weiß auch Geschichten. Im innern Schloßhof ist eine schöne Pforte und darüber ein in Stein gehauenes Wappen. Von ihr aus führt eine Treppe in die oberen Stockwerke. An den geweißten Wänden hängen schwarzdunkle Bilder, mächtige Hirschgeweihe dräuen von jeder Wendung herunter. Oben ist ein Vorraum, in den die verschiedenen Türen münden. In der Mitte steigt dunkles Balkenwerk in die Höhe, das die Decke trägt. Um die dicken Holzsäulen geht ein Bänkchen. Da wartete wohl einmal Jemand.
Gleich die erste Türe, in die ich hineingehe - und ich gehe oft hinein, und am liebsten allein mit der Försterin, die das Schloß verwaltet, - führt in ein Schlafgemach. Alle, die das Bett sehen in dem vergessenen Waldschloß, staunen über diese Pracht der seidenen Vorhänge, an denen fleißige Hände Jahre lang gestickt haben müssen. Das Bett ist nun leer, aber die Försterin holt mir immer wieder eine gelbe, seidene Decke heraus, die sie in einer Lade aufbewahrt, und zeigt sie mir. Blasses Gelb ist die Decke, und mit weißen, seidenen Ornamenten ist sie gestickt. Sie ist schon sehr alt, am Rande hat sie Löcher, aber in der Mitte sind ihre Farben frisch.
Wie kommt diese Decke in das einsame Waldschloß, in dem seit manchen Jahrhunderten die hohen Herren, die da jagen, nur eine Nacht schlafen, um am grauenden Morgen auf die Pürsch zu gehen? Ach könnt ich doch allein bleiben hier, eine Nacht nur, und hören, was sich die Wände erzählen, was die alte Diele kracht, was das Käuzlein draußen im Bergfried schreit. Kommt nicht ein Schritt die Treppe herauf? Wer wartete da draußen auf dem Bänkchen? Klingen nicht verlorene Lautentöne um das Balkenwerk? ... Immer wieder komme ich, es rauscht mir das Brünnlein, ich streiche mit verlangenden Händen über die gelbseidene Decke, durch das Epheugewirr am Fenster fällt goldenes Abendlicht auf das Himmelbett. . und. . da sehe ich ... ich sehe ein weißes Linnen über die verlassene Lagerstätte gebreitet - die gelbe Decke liegt wieder darauf. Auf den Kissen liegt ein goldener Kopf. . Ein Mädchen! Nie sah ich etwas Schöneres! Diese seltsamen blauen Augen! Diese dunklen Pupillen, die sich plötzlich weiten und deren Blick dann die Ferne durchdringen soll. Ich kenne die Augen, ich kenne den Blick. Warum ist denn das Mädchen so blaß? Ich sehe die zarten Hände auf der gelben Decke liegen. Es läuft ein roter Streifen um das Handgelenk, ein häßlicher roter Streifen, und doch! er gehört zu diesen Händen.
Da ist wieder Alles verschwunden. Traurig gehe ich hinaus. Ach wie lang währt es, bis sie mir Alles erzählt haben, was sie wissen, diese grauen Wände, der kreischende Turmhahn, dieses Fenster, das über der Treppe mit den Geweihen ist. Die Linde rauscht: "Ich sah einen Reiter, im rasenden Ritt kommt er den Berg herauf, wen hält er vorne auf seinem Pferd? Ich sah einen goldenen Kopf, der wie eine gebrochene Blume herunterhängt. Ich sah den Reiter im Burghof absteigen, und vorsichtig trägt er in seinen Armen ein Mägdlein hinein zur Pforte. Ach es ist lang her - die große Eiche dort war noch ein kleines Bäumlein." Mehr als zweihundert Jahre her ists dann, denk ich. Was war das für eine Zeit? Die schlimme, die bittre Zeit im deutschen Land, da überall die Scheiterhaufen rauchten und ein unsäglicher Jammer zum Himmel schrie - die roten Streifen an der Hand, und die Augen, die in die Ferne sehen! Das war eine Hexe. Und der Reiter verbarg sie hier. Er flüchtete sie wohl. Drüben, zwei Stunden weit, ist eine kleine Residenz, dort liegen noch viele alte Papiere, die noch heute das Herz vor Entsetzen schlagen machen, wenn man in sie hineinsieht. Er sandte ihr die seidene Decke; für sie hing er die wunderbaren Vorhänge an das Holzwerk des Betthimmels.
Keines aber liebe ich mehr als ein vergessenes Waldschloß, das ich Schweigen nennen will. Es ist eine Burg mit Palas und Bergfried und äußerem und innerem Schloßhof. Im äußeren Schloßhof steht eine herrliche Linde, von einer Brustwehr umgeben, von der man hinunter sieht in grüne Täler und hinüber an blaue Waldberge. Auch ein Brünnlein singt dort sein eintöniges Lied. Die Linde ist sehr alt, gewiß dreihundert Jahre, sie rauscht so seltsam, diese Linde, die weiß auch Geschichten. Im innern Schloßhof ist eine schöne Pforte und darüber ein in Stein gehauenes Wappen. Von ihr aus führt eine Treppe in die oberen Stockwerke. An den geweißten Wänden hängen schwarzdunkle Bilder, mächtige Hirschgeweihe dräuen von jeder Wendung herunter. Oben ist ein Vorraum, in den die verschiedenen Türen münden. In der Mitte steigt dunkles Balkenwerk in die Höhe, das die Decke trägt. Um die dicken Holzsäulen geht ein Bänkchen. Da wartete wohl einmal Jemand.
Gleich die erste Türe, in die ich hineingehe - und ich gehe oft hinein, und am liebsten allein mit der Försterin, die das Schloß verwaltet, - führt in ein Schlafgemach. Alle, die das Bett sehen in dem vergessenen Waldschloß, staunen über diese Pracht der seidenen Vorhänge, an denen fleißige Hände Jahre lang gestickt haben müssen. Das Bett ist nun leer, aber die Försterin holt mir immer wieder eine gelbe, seidene Decke heraus, die sie in einer Lade aufbewahrt, und zeigt sie mir. Blasses Gelb ist die Decke, und mit weißen, seidenen Ornamenten ist sie gestickt. Sie ist schon sehr alt, am Rande hat sie Löcher, aber in der Mitte sind ihre Farben frisch.
Wie kommt diese Decke in das einsame Waldschloß, in dem seit manchen Jahrhunderten die hohen Herren, die da jagen, nur eine Nacht schlafen, um am grauenden Morgen auf die Pürsch zu gehen? Ach könnt ich doch allein bleiben hier, eine Nacht nur, und hören, was sich die Wände erzählen, was die alte Diele kracht, was das Käuzlein draußen im Bergfried schreit. Kommt nicht ein Schritt die Treppe herauf? Wer wartete da draußen auf dem Bänkchen? Klingen nicht verlorene Lautentöne um das Balkenwerk? ... Immer wieder komme ich, es rauscht mir das Brünnlein, ich streiche mit verlangenden Händen über die gelbseidene Decke, durch das Epheugewirr am Fenster fällt goldenes Abendlicht auf das Himmelbett. . und. . da sehe ich ... ich sehe ein weißes Linnen über die verlassene Lagerstätte gebreitet - die gelbe Decke liegt wieder darauf. Auf den Kissen liegt ein goldener Kopf. . Ein Mädchen! Nie sah ich etwas Schöneres! Diese seltsamen blauen Augen! Diese dunklen Pupillen, die sich plötzlich weiten und deren Blick dann die Ferne durchdringen soll. Ich kenne die Augen, ich kenne den Blick. Warum ist denn das Mädchen so blaß? Ich sehe die zarten Hände auf der gelben Decke liegen. Es läuft ein roter Streifen um das Handgelenk, ein häßlicher roter Streifen, und doch! er gehört zu diesen Händen.
Da ist wieder Alles verschwunden. Traurig gehe ich hinaus. Ach wie lang währt es, bis sie mir Alles erzählt haben, was sie wissen, diese grauen Wände, der kreischende Turmhahn, dieses Fenster, das über der Treppe mit den Geweihen ist. Die Linde rauscht: "Ich sah einen Reiter, im rasenden Ritt kommt er den Berg herauf, wen hält er vorne auf seinem Pferd? Ich sah einen goldenen Kopf, der wie eine gebrochene Blume herunterhängt. Ich sah den Reiter im Burghof absteigen, und vorsichtig trägt er in seinen Armen ein Mägdlein hinein zur Pforte. Ach es ist lang her - die große Eiche dort war noch ein kleines Bäumlein." Mehr als zweihundert Jahre her ists dann, denk ich. Was war das für eine Zeit? Die schlimme, die bittre Zeit im deutschen Land, da überall die Scheiterhaufen rauchten und ein unsäglicher Jammer zum Himmel schrie - die roten Streifen an der Hand, und die Augen, die in die Ferne sehen! Das war eine Hexe. Und der Reiter verbarg sie hier. Er flüchtete sie wohl. Drüben, zwei Stunden weit, ist eine kleine Residenz, dort liegen noch viele alte Papiere, die noch heute das Herz vor Entsetzen schlagen machen, wenn man in sie hineinsieht. Er sandte ihr die seidene Decke; für sie hing er die wunderbaren Vorhänge an das Holzwerk des Betthimmels.