Text - "Die Richterin" Conrad F. Meyer

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Jetzt trat ein Palastschüler mit suchenden Blicken in den Hofraum und dann rasch auf Wulfrin zu. "Du", sagte er, "die Messe ist aus, der König verläßt die Kirche. " Der "Kaiser" wollte ihm noch nicht über die Zunge.

Wulfrin sprang auf. "Nimm mich mit!" bat Graciosus, "damit ich dem Herrn der Erde nahe trete und ihn reden höre."

"Komm", willfahrte Wulfrin gutmütig, und bald standen sie neben dem Kaiser, vor welchem ein ehrwürdiger, aber etwas verwilderter Graubart das Knie bog. Gnadenreich erkannte Rudio, den Kastellan auf Malmort, und wunderte sich, welche Botschaft der Räter bringe, denn Karl hielt ein Schreiben in der Hand. Er reichte es dem Abte, und Alcuin las vor:

"Erhabener, da ich höre, Du werdest von Rom nach dem Rheine ziehen, flehe ich Dich an, daß Du Deinen Weg durch Rätia nehmest. Seit Jahren haben sich in unsern verwickelten Tälern versprengte Lombarden eingenistet unter einem Witigis, der sich Herzog nennt. Wir, die Herrschenden im Lande, unter uns selbst uneins und ohne Haupt, werden nicht mit ihnen fertig, ja einige von uns zahlen ihnen Tribut. Ein unerträglicher Zustand. Du bist der Kaiser. Wenn du kommst und Ordnung schaffst, so tust Du, was Deines Amtes ist. Stemma, Judicatrix. "

"Keine Schwätzerin", sagte der Kaiser. "Meine Sendboten haben mir von der Frau erzählt. " Alcuin betrachtete die Handschrift. "Feste Züge", lobte er.

"Alcuin, du Abgrund des Wissens", lächelte Karl, "was ist Rätien? Welche Pässe führen dahin?"

Der kleine Abt fühlte sich durch Lob und Frage geschmeichelt, wendete sich aber nicht an den Gebieter, sondern, als der Höfling und der Schulmeister, welcher er war, an die Palastschule, die schon zu einem guten Drittel, den Blondbart inbegriffen, um den Kaiser versammelt stand.