Text - "Schelmuffskys wahrhaftige, kuriöse und sehr gefährliche Reisebeschreibung zu Wasser und zu Lande" Christian Reuter

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Nach solcher Erzählung kamen wir an ein Wirtshaus, welches flugs an der Straße im freien Felde lag, daselbst stiegen wir ab und gingen hinein, uns ein wenig da auszuwärmen; sobald als wir in die Stube kamen, ließ sich der Herr Graf ein groß Glas geben, in welches wohl hierzulande auf achtzehn bis zwanzig Maß gehn, dasselbe ließ er sich von dem Wirte voll Branntwein schenken und brachte mirs von da auf Du und Du zu. Nun hätte ich nicht vermeint, daß der Graf das Glas voll Branntwein alle auf einmal aussaufen würde, allein er soffs, der Tebel hol mer, auf einen Soff ohne Absetzen und Bartwischen reine aus, daß sich auch der Wirt grausam darüber verwunderte. Hernach so ließ ers wieder so voll schenken und sagte zu mir: Nun allons, Herr Bruder Schelmuffsky, ein Hundsfott, der mirs nicht auch Bescheid tut. Sapperment! das Ding verdroß mich, daß der Graf mit solchen Worten flugs um sich schmiß, und fing gleich zu ihm an: Topp, Herr Bruder, ich wills Bescheid tun. Als ich dieses ihm zur Antwort gab, fing der Wirt höhnisch zu dem Grafen an zu lächeln und meinte, ich würde es unmöglich können Bescheid tun, weil der Herr Graf ein dicker, korpulenter Herr und ich gegen ihn nur ein Aufschüßling wäre und in meinen Magen das Glas voll Branntwein wohl schwerlich gehen würde. Ich war aber her und setzte mit dem Glase voll Branntwein an und soff es, der Tebel hol mer, flugs auf einen Schluck aus. O sapperment! was sperrte der Wirt vor ein paar Augen auf und sagte heimlich zum Grafen, daß was Rechts hinter mir stecken müßte. Der Graf aber klopfte mich hierauf gleich auf meine Achseln und sagte: Herr Bruder, verzeihe mir, daß ich dich zum Trinken genötigt habe, es soll hinfort nicht mehr geschehen, ich sehe nun schon, was an dir zu tun ist, und daß deinesgleichen von Konduite wohl schwerlich wird in der Welt gefunden werden. Ich antwortete dem Herrn Bruder Grafen hierauf sehr artig wieder und sagte, wie daß ich wahrlich ein brav Kerl wäre und noch erstlich zu was Rechts werden würde, wenn ich weiter in die Welt hineinkommen sollte und wenn er mein Bruder und Freund bleiben wollte, sollte er mich künftig mit dergleichen Dingen verschonen. O sapperment! wie demütigte sich der Graf gegen mich und bat mirs auf seine gebogenen Knien ab und sagte, dergleichen Exzesse sollten künftig nicht mehr von ihm geschehen.

Hierauf bezahlten wir den Wirt, setzten uns wieder auf unsern Schellenschlitten und fuhren immer weiter in die Welt hinein. Wir gelangten zu Ende des Oktobers, da es schon fast ganz dunkel worden war in der berühmten Stadt Hamburg an, allwo wir mit unserm Schlitten am Pferdemarkte in einem großen Hause einkehrten, worinnen viel vornehme Standespersonen und Damens logierten. Sobald als wir da abgestiegen waren, kamen zwei italiänische Nobels die Treppe oben heruntergegangen; der eine hatte einen messingenen Leuchter in der Hand, worauf ein brennendes Wachslicht brannte, und der andere eine große töpferne brennende Lampe, welche geschwippt voll Bomolie gegossen war, die hießen uns da willkommen und erfreuten sich meiner wie auch des Herrn Bruders Grafen seiner guten Gesundheit. Nachdem sie nun solche Komplimente gegen uns abgelegt hatten, nahm mich der eine Nobel mit dem brennenden Wachslichte bei der Hand und der andere mit der brennenden Bomolienlampe faßte den Herrn Grafen bei dem Ärmel und führten uns da die Treppe hinauf, daß wir nicht fallen sollten, denn es waren sechs Stufen oben ausgebrochen. Wie wir nun die Treppe oben hinaufkamen, so präsentierte sich ein vortrefflicher, schöner Saal, welcher um und um mit den schönsten Tapezereien und Edelgesteinen ausgeziert war und von Gold und Silber flimmerte und flammte. Auf demselben Saale nun stunden zwei vornehme Staaten aus Holland und zwei portugiesische Abgesandte, die kamen mir und meinem Herrn Bruder Grafen gleichfalls entgegengegangen, hießen uns auch willkommen und erfreuten sich ebenfalls unserer guten Gesundheit und glücklichen Anherokunft. Ich antwortete denselben flugs sehr artig wieder und sagte, wenn sie auch noch fein frisch und gesund wären, würde es mir und dem Herrn Grafen sehr lieb auch sein. Als ich mein Gegenkompliment nun auch wieder abgelegt hatte, so kam der Wirt in einem grünen Samtpelze auch dazu, der hatte nun ein groß Bund Schlüssel in der Hand, hieß uns auch willkommen und fragte, ob ich und der Herr Graf belieben wollten, noch eine Treppe höher mit ihm zu steigen, allwo er uns anweisen wollte, wo wir unser Zimmer haben sollten.

Ich und der Herr Bruder nahmen hierauf von der sämtlichen Kompagnie mit einer sehr artigen Miene Abschied und folgten dem Wirte, daß er uns in unser Zimmer führen sollte, welches wir zu unserer Bequemlichkeit innehaben sollten. Sobald wir nun mit ihm noch eine Treppe hinaufkamen, schloß er eine vortreffliche schöne Stube auf, worinnen ein über alle Maßen galantes Bett stund und alles sehr wohl in derselben Stube aufgeputzt war; daselbst hieß er uns unsere Gelegenheit gebrauchen, und wenn wir was verlangten, sollten wir nur zum Fenster hinunterpfeifen, so würde der Hausknecht alsobald zu unsern Diensten stehen, und nahm hierauf von uns wieder Abschied. Nachdem wir uns nun so ein bischen ausgemaustert hatten, so kam der Wirt im grünen Samtpelze wieder hinauf zu uns und rief uns zur Abendmahlzeit, worauf ich und der Herr Bruder Graf gleich mit ihm gingen. Er führte uns die Treppe wieder hinunter über den schönen Saal weg und in eine große Stube, allwo eine lange Tafel gedeckt stund, auf welche die herrlichsten Traktamenten getragen wurden. Der Herr Wirt hieß uns da ein klein wenig verziehen, die andern Herren wie auch Damens würden sich gleich auch dabei einfinden und uns Kompagnie leisten.